Dem Bundesgesundheitsministerium liegen hinsichtlich der Intensivbetten-Zahlen in Deutschland keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Manipulation vor. "Es ist auch nicht erkennbar, welche Anreize für derartige Manipulationen bestanden haben sollten", teilte ein Sprecher der "Welt" am Montag mit. Der Medizinprofessor Matthias Schrappe hatte der "Welt" geäußert, die Zahl der Intensivbetten sei "systematisch" verringert worden und die Angst vor einer Triage-Situation unbegründet gewesen.
Patienten seien zudem "ohne Not" auf die Intensivstation verlegt worden. Die Thesen Schrappes seien "zum großen Teil nicht durch Fakten unterlegt, sondern basieren auf Annahmen und Unterstellungen", hieß es nun vom Ministerium. Wenn Schrappe kritisiere, dass zu keinem Zeitpunkt mehr als 25 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt gewesen seien, sei dies der hohen Zahl von Betten zu verdanken.
Empört äußerte sich der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und nannte die Vorwürfe "gravierend": "Ich halte sie für absolut abwegig, zynisch und nicht zutreffend." Er kenne Schrappe sowie einige der anderen Autoren gut und schätze sie. "Aber diese Aussagen überraschen mich sehr. Ich glaube, dass sich die Gruppe in etwas verrannt hat."
Er bezeichnete die Vorwürfe als "substanzlos" und wies die Kritik zurück, eine Überlastung der Intensivstationen habe als alleiniges Kriterium für die Pandemie-Maßnahmen gedient: "Es war nie ausschließlich die Belastung des Gesundheitssystems der Maßstab, sondern auch die Frage, wie viele Menschen sterben und ob wir die Lage unter Kontrolle haben."
Die Aussage Schrappes, die Angst vor einer Überlastung sei unbegründet gewesen, bezeichnete Lauterbach als "falsch". "Wenn sie das exponentielle Wachstum nur für kurze Zeit zugelassen hätten, hätten wir innerhalb von Wochen die Belastungsgrenze überschritten. Wir waren in vielen großen Städten in einer prekären Notlage."
Auch der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß wies Schrappes Kritik zurück. "Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Sars-CoV-2 hätte ein unbegrenztes Pandemiegeschehen jedes Krankenhauswesen über die Grenzen der Leistungsfähigkeit hinaus belastet." Im europäischen Ausland hätten schwerkranke Covid-Patienten auf den Normalstationen behandelt werden müssen, weil keine Intensivbetten mehr frei gewesen seien. "In Deutschland dagegen konnten diese Menschen intensivmedizinisch versorgt werden, daraus jetzt einen Vorwurf zu konstruieren, ist geradezu zynisch", so Gaß.
Foto: Bundesgesundheitsministerium, über dts Nachrichtenagentur