Der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht nach der Bundestagswahl schwere Zeiten auf die Union zukommen. "Das schlechteste Ergebnis ihrer gesamten Geschichte ist für die CDU eine politische Kernschmelze", sagte er dem "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe). Ihre Wählerbasis sei damit zu gering, um noch den Volksparteianspruch aufrechterhalten zu können.
"Eigentlich müsste das zu heftigen innerparteilichen Diskussionen über eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung führen." Dass die CDU sich momentan hinter Laschet gestellt hat, zeigt für Niedermayer, dass dieser alles auf eine Karte setze, um die Chance auf die Kanzlerschaft aufrechtzuerhalten. "Sollte das gelingen, besteht die Gefahr, dass die Partei - wie schon 2017 - das Wahldesaster nicht aufarbeitet, was ihr mittelfristig deutlich schaden würde", glaubt der Politologe.
Die historische Niederlage der Union führt Niedermayer darauf zurück, dass es Laschet nicht gelungen ist, die Stimmung in der Wahlbevölkerung zu drehen. "Laschet war in den Augen der Mehrheit der Wähler und der Unionsanhänger von Anfang an der falsche Kandidat und seine Beurteilung hat sich im Wahlkampf noch deutlich verschlechtert", sagte er. Nach Einschätzung des Passauer Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter hätte die Union CSU-Chef Markus Söder ins Rennen schicken sollen. "Mit der größeren kommunikativen Klarheit und stärkeren Ausstrahlung als Führungskraft wäre es mit Söder besser gelaufen", sagte Oberreuter dem "Handelsblatt". Er wies aber auch auf Fehler der CDU-Zentrale im Konrad-Adenauer-Haus hin. "Katastrophal war die Inkompetenz des Parteiapparats." Das von Laschet präsentierte "Zukunftsteam" und sein "Sofortprogramm" seien "erkennbar Notstandsmaßnahmen" gewesen.
Foto: Wahllokal am 26.09.2021, über dts Nachrichtenagentur