Die von den USA und Europa verhängten Sanktionen gegen die russische Luftfahrtbranche scheinen ihre Wirkung zu verfehlen. Eine Analyse der Flugdaten russischer Airlines zeigt laut eines Berichts der "Welt am Sonntag", dass der Luftverkehr in dem Land zwar im ersten Kriegsjahr deutlich von 1,49 Millionen im Jahr 2021 auf 1,26 Millionen Flüge 2022 zurückgegangen ist. Im vergangenen Jahr nahm die Zahl jedoch wieder leicht auf 1,28 Millionen zu. Die Auswertung von 4,5 Millionen Datensätzen der Flugbewegungen russischer Airlines durch den Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt liegt der Zeitung vor.
"Die erwarteten Erosionsprozesse in der russischen Luftfahrt sind ausgeblieben", sagte Großbongardt. Experten vermuten, dass Russland sich eine Lücke im Sanktions-System zunutze macht, wonach der Weiterverkauf gebrauchter Ersatzteile aus ausgemusterten Flugzeugen keiner behördlichen Kontrolle unterliegt. Politiker fordern ein härteres Vorgehen gegen Sanktionsbrecher, von denen Russland offenbar profitiert. "Putins wirtschaftliche Aktivitäten dienen der Verlängerung des brutalen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und gefährden auch unsere europäische Sicherheit", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) der "Welt am Sonntag".
"Genau das müssen wir unterbinden." Deshalb setze sich Deutschland in Brüssel für die Ausweitung der Strafmaßnahmen in Bereichen wie Energie, Rohstoffen und Technologien ein. "All diese Sanktionen können aber nicht vollständig wirken, wenn Länder wie China weiter kriegswichtiges Material wie Dual-Use-Güter nach Russland liefern", kritisierte Baerbock. Russland gelingt es immer wieder, westliche Sanktionen zu umgehen. Etwa beim Export von Öl und Diesel und beim Import von Dual-Use-Gütern - also von Produkten, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, wie Halbleiter, Drohnen und eben Flugzeugteile. "Wer die Sanktionen unterläuft, spielt Putin in die Hände und schadet der EU empfindlich", sagte Manfred Weber (CSU), Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament. Der Bruch von Embargos sei kein Kavaliersdelikt.
"Der Sieg der Ukraine ist im ureigensten Interesse der EU", sagte Weber. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte: "Es gibt leider auch in Deutschland noch zu viele Firmen, die Embargos aushöhlen." Das sei inakzeptabel. Wer indirekt Russland unterstütze, mache sich mitschuldig an den Verbrechen in der Ukraine und gefährde die Sicherheit Deutschlands und Europas. SPD-Außenpolitiker Michael Roth erklärte: "Russland nutzt zunehmend Schlupflöcher, um die Sanktionen zu umgehen." Dennoch hält Roth Brüssels Maßnahmen für effektiv. "Die 13 Sanktionspakete der EU seit Februar 2022 wirken sehr wohl", sagte er. "Wenn auch nicht so schnell und umfassend wie gewünscht."
Foto: Piloten im Cockpit (Archiv), über dts Nachrichtenagentur