Das dringend benötigte Einwanderungsgesetz wird sich in einer Jamaika-Koalition ebenso wenig realisieren lassen, wie eine EEG-Reform. Bleibt also alles beim Alten?
Von Ramin Peymani
Die Schlacht ist geschlagen – zumindest in den Wahlkabinen. Mit Spannung waren die Zahlen erwartet worden. Doch das Ergebnis der Bundestagswahl hielt keine Überraschungen parat, sieht man einmal von den Grünen ab, denen es erneut gelungen ist, ihre sektengleich hörige Klientel geschlossen an die Urne zu bringen und sich damit über die miserablen Umfragewerte hinwegzusetzen.
Seit vielen Jahren reichen den Fortschrittsfeinden einstellige Zustimmungswerte, um alle anderen Parteien vor sich her zu treiben. Ihre Macht beziehen sie dabei nicht aus den Parlamenten, sondern aus den Redaktionsstuben.
Angela Merkel und die Union müssen sie allerdings nicht mehr treiben. Die Kanzlerin, die ebenso gut Parteivorsitzende der Grünen sein könnte, hat die meisten Programmpunkte bereits übernommen. Und so ist eine schwarz-grüne Zusammenarbeit für die nächsten vier Jahre ausgemachte Sache.
Allerdings braucht es einen weiteren Partner zum Regieren. Da sich die SPD nach ihrem desaströsen Ergebnis auf die Oppositionsbänke flüchtet, hängt es nun von der FDP ab, ob Angela Merkel in ihre vierte Amtszeit gehen kann oder nicht. Sie wird es tun.
Noch hält sich bei manchem Wähler die Hoffnung, Christian Lindner möge es als klares Nein verstanden wissen wollen, dass ihm die Phantasie für ein Jamaika-Bündnis fehle. Doch die Verlockung dürfte groß sein, nach der grandiosen Rückkehr in den Bundestag auch gleich wieder mitzuregieren und gewichtige Posten zu besetzen.
Ein Einwanderungsgesetz ist in einer Jamaika-Koalition ebenso wenig realisierbar, wie eine EEG-Reform oder einheitliche Bildungsstandards
In wenigen Wochen werden CDU/CSU, Grüne und FDP also wohl ihren Koalitionsvertrag unterschreiben. Natürlich wird davor gepokert, werden rote Linien gezogen und markige Worte gesprochen. Mitglieder werden sich an Abstimmungen beteiligen können, Parteigremien nächtelang tagen. Alles für die Galerie. Wer weiß, wie Parteien funktionieren, der weiß, dass all das nur dem Schein dient.
Und so werden die zwei kleinen Partner Angela Merkel zur Wiederwahl verhelfen. Noch treibt Christian Lindner den Preis hoch, doch er wird sich wohl nicht mehr lange zieren, dürfte ihm eine prinzipienlose Kanzlerin in den kommenden Tagen doch jeden Wunsch von den Lippen ablesen.
Auch die Grünen werden viel fordern, können jedoch weitaus entspannter in die Verhandlungen einsteigen, weil ihnen egal sein kann, was anschließend im Koalitionsvertrag steht. Gemacht wird ohnehin nur, was die links-grünen Journalisten herbei schreiben. Das weiß auch die FDP. Ihre Inhalte darf sie wie 2009 zwar im Koalitionsvertrag lesen, sich zugleich aber sicher sein, dass sie dort bis nach dem Ende der Legislaturperiode gut aufgehoben sind.
Das dringend benötigte Einwanderungsgesetz wird sich in einer Jamaika-Koalition ebenso wenig realisieren lassen, wie eine EEG-Reform oder einheitliche Bildungsstandards. Eine Jamaika-FDP müsste sich bald dafür rechtfertigen, dass sie keines ihrer Wahlversprechen hat umsetzen können. Man habe aus seinen Fehlern gelernt, heißt es. Dass ein Jamaika-Bündnis nicht kategorisch ausgeschlossen wird, zeugt eher vom Gegenteil.
Die nach links rückende SPD wird all ihre Kraft darauf verwenden, gemeinsam mit der Ex-SED die Opposition zur Opposition zu bilden
Und die Opposition? Eine wirkliche Opposition wird es nicht geben. Höchstens eine mit lauten Tönen. Die arg gerupfte SPD wird ihr Heil in einem Linksruck suchen, um Merkel etwas entgegenzusetzen.
Allerdings wird sie kaum dazu kommen, da sie all ihre Kraft darauf verwenden wird, gemeinsam mit der Ex-SED die Opposition zur Opposition zu bilden. Und so wird Merkels Jamaika-Koalition eher unbehelligt vor sich hin regieren können. Alle zusammen werden sich auf die AfD stürzen, und irgendwie wird es sich anfühlen, als regiere eine Allparteien-Koalition gegen 100 Oppositionelle. Ob dabei ab und zu auch noch Zeit für wirkliche Politik bleibt?
Die Statements des Wahlabends haben jedenfalls gezeigt, dass es sehr lange dauern wird, bis die etablierten Parteien den Schock verdaut haben, dass nun ein weiterer Mitbewerber dauerhaft an den Fleischtöpfen der Berufspolitik sitzt. Denn so groß das Gebrüll, so echt manche Empörung – letztlich geht es darum, dass durch den Einzug der AfD selbst bei einem monströs aufgeblasenen Bundestag viele hoffnungsvolle Parteisoldaten leer ausgehen.
So viele, dass nicht einmal die Parteistiftungen und andere parteinahe Parkplätze dazu ausreichen, die gescheiterten Bewerber bei Laune zu halten. Es wäre bei aller Enttäuschung schön, wenn die Demokraten des höchsten deutschen Parlaments bald damit beginnen würden, sich auch als solche zu benehmen. Breiter hat der Bundestag das politische Meinungsspektrum nie abgebildet – und das kann einer Demokratie nur gut tun.