Die Europäische Kommission in Brüssel will die EU-Erweiterung in Richtung Westbalkan forcieren und für zwei weitere Länder die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfehlen.
"Die EU-Kommission wird den Mitgliedstaaten bald - höchstwahrscheinlich bis zum Sommer - empfehlen, die Beitrittsverhandlungen mit Albanien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufzunehmen", sagte der zuständige EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn der "Welt" (Donnerstag).
Die Menschen in diesen Ländern hätten eine konkrete europäische Perspektive verdient, sagte Hahn weiter.
"Wir glauben, dass beide Länder in der Vergangenheit wichtige Reformen durchgeführt haben, und sich damit für diesen Schritt qualifiziert haben."
So hätte Albanien "im Kampf gegen die organisierte Kriminalität eine Menge getan", erläuterte Hahn.
Die Türkei sieht die EU-Kommission trotz der Freilassung des "Welt"-Journalisten Deniz Yücel weiterhin kritisch. Hahn: "Nach der Freilassung von Deniz Yücel hat sich an unseren rechtsstaatlichen Bedenken gegenüber der Türkei nichts geändert. Eine Charmeoffensive ist zu wenig." Tausende Menschen säßen, teilweise ohne Anklage, weiter in Haft. "Wir können die Augen nicht vor diesen erheblichen rechtsstaatlichen Defiziten verschließen", erklärte der EU-Kommissar.
Mit Blick auf den mit Spannung erwarteten Länderbericht der Kommission zur Türkei im April sagte Hahn: "Aber wenn es bis dahin keine substanziellen Veränderungen gibt, wird der Länderbericht zur Türkei kritisch ausfallen, vor allem mit Blick auf die rechtsstaatliche Entwicklung."
Es gebe "erhebliche Defizite" bei der Rechtstaatlichkeit: "Es ist evident, dass die Politik einen Einfluss auf die Justiz hat". Hintergrund: Einen solchen Einfluss hatte Ministerpräsident Yildirim zuletzt mit Nachdruck bestritten. Konkret forderte Hahn von der Türkei die Beachtung demokratischer Grundsätze: "Dazu gehören die Unabhängigkeit der Justiz, die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien und Meinungsfreiheit."
Im Verhältnis zur Türkei forderte der Kommissar künftig statt Beitrittsverhandlungen einen "neuen Fokus auf partnerschaftliche Beziehungen". Hahn: "Die EU und die Türkei sollten sich in den kommenden Jahren - wie es ja auch unter anderem von Präsident Macron vorgeschlagen wurde - auf den Ausbau einer strategischen Partnerschaft konzentrieren und nicht auf Beitrittsverhandlungen."
Es sei besser, sich Ziele zu setzen, die man auch erreichen kann und "die keine Belastung in den gegenseitigen Beziehungen darstellen". Im Rahmen einer solchen Partnerschaft soll man laut Hahn "mittelfristig über die Ausweitung der EU-Türkei-Zollunion auf Dienstleistungen und andere Bereiche verhandeln".
Die Bundesregierung lehnt das bisher strikt ab. Hintergrund: Die Empfehlung der EU-Kommission ist notwendige Voraussetzung für einen Beschluss der Mitgliedsländer zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Albanien ist seit 2014 Beitrittskandidat und Mazedonien bereits seit 2005.
Meuthen: EU institutionell konsolidieren, statt immer neue Mitglieder aufnehmen
Zu den Plänen der EU-Kommission, Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aufzunehmen, sagt der AfD-Bundesvorsitzende und Europaabgeordnete, Jörg Meuthen:
„Ehe wir über eine erneute EU-Erweiterung nachdenken, sollten wir zunächst über den beklagenswerten Zustand von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der EU sprechen. Die EU hat in der Eurokrise sowie in der Migrationskrise vielfach ihre eigenen Regeln gebrochen. Das hat die EU gespalten und destabilisiert. Die Folgen – siehe Brexit – sind bekannt.
Wenn das so weiter geht, stellt sich nicht die Frage, welche Staaten der EU als nächste beitreten, sondern welche Staaten als nächstes dem britischen Austritt folgen werden.
Das kann nur durch eine kluge institutionelle Konsolidierung verhindert werden. Solange das nicht passiert, ist die Aufnahme weiterer Staaten völlig nachrangig.“
Foto: Grenze Mazedonien - Griechenland, über dts Nachrichtenagentur