Der frühere Umweltminister Norbert Röttgen hat der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Deutschland erlebe seit einiger Zeit eine ernste Krise, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag dem "Spiegel". "Die Mitte schrumpft, die populistischen Ränder wachsen."
Dass sich politisch etwas verändern müsse, sei mit Händen zu greifen. "Es passiert aber nichts."
Das Jahr seit der Bundestagswahl sei ein "verlorenes Jahr", sagte Röttgen. Die Politik müsse wieder gestalten, "denn tun wir das nicht, wird es weiter dramatisch den Bach runtergehen". Dann werde die Union in Umfragen weiter absacken. Der nächste Parteitag der CDU Anfang Dezember werde entscheidend sein, so Röttgen, der im Jahr 2012 von Merkel als Minister entlassen worden war.
Die Wahl von Ralph Brinkhaus zum neuen Chef der Unionsfraktion habe gezeigt, "dass es einen Wunsch nach Veränderung gibt, der stärker war als der Wunsch der Kanzlerin". Wenn Merkel ihre Methode nicht ändere – was sie bislang nicht tue –, dann werde sich die Systemkrise verschärfen.
Röttgen hält eine Begrenzung der Amtszeit für Kanzler für sinnvoll. Röttgen kritisiert auch die Arbeit der Großen Koalition und spricht ihr die Kraft ab, die anstehenden Probleme zu lösen. Er sei schon nach dem Scheitern der Jamaikaverhandlungen der Meinung gewesen, die Große Koalition sei unter den möglichen schlechten Lösungen die schlechteste. "Leider gibt es keinen Grund, meine Meinung zu ändern. Die Große Koalition ist die Regierungsform der systemischen Erschöpfung, die den Wettbewerb auflöst und das Wachstum der Ränder befördert."
Foto: Norbert Röttgen, über dts Nachrichtenagentur