Wilde Spekulation um die Hypo Real Estate an der Börse. Offene Fragen zum Beteiligungsangebot einer Investorengruppe auf den Kaiman-Inseln.
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Eine Investorengruppe um J.C. Flowers unterbreitet ein "freiwilliges" Angebot zum Kauf von rund 50 Millionen Aktien der Hypo Real Estate zum Preis von 22,50 Euro.
Merkwürdig nur: Wenn diese Investorengruppe wirklich an HRE interessiert wäre, hätten sie diese Aktien Monate lang viel billiger kaufen können. Im Zeitraum vom 15. Januar bis 16. April 2008 notierte die HRE unter 22 Euro. Im Tief wurde die Aktie sogar für 12,80 verschleudert. Insgesamt gingen in diesem Zeitraum fast 400 Millionen (!) Aktien um. Man hätte also praktisch ein viertel Jahr lang müssig auf Shopping Tour gehen können. Selbst am Tag des "Angebots" ging die Aktie noch mit 18 über denn Tisch.
Einige Börsianer mutmaßen deshalb, dass dieses "Angebot" möglicherweise nicht ernst gemeint ist. Am 16.April schoss die Aktie bis auf 23 Euro. Im Handel wurde von Eindeckungen von Leerverkäufen gesprochen, eine klassische Shortsqeeze. Eine gezielte Aktion, um den Kurs in die Höhe zu treiben?
Händler verweisen auf das Beispiel des Großinvestors Frederiksen, der am Donnerstag bekannt gab, knapp 12% an TUI zu besitzen, immerhin 29 Mio. Aktien. Dieser Anteil wurde lautlos und in aller Stille zusammen gekauft, um den Kurs nicht nach oben zu treiben. Ganz anders scheint es bei dem HRE Investor zu laufen. Dieser habe offensichtlich ein starkes Mitteilungsbedürfnis.
Hypo Real Estate in den letzten 3 Monaten
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Was also ist dran, an diesem "Angebot"?
Dem veröffentlichten Pressetext zufolge handelt sich um ein "freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot....",
Freiwillig? Gut zu wissen. Freiwillig heißt aber auch, dass es nicht bindend ist. Ein Angebot ist ein Angebot und keine Garantie zum Kauf. Außerdem kann ja niemand gezwungen werden, HRE für 22,50 zu verkaufen. Aber meint es der vermeintliche Käufer wirklich ernst? Im Hinblick auf das "Angebot" heißt es bei JC Flowers ziemlich verschwommen:
"Soweit die Angebotsunterlage sowie die Bekanntmachungen und Informationen auf dieser Internetseite bestimmte in die Zukunft gerichtete Aussagen enthalten, stellen diese Aussagen keine Tatsachen dar und sind durch die Worte "werden", "erwarten", "glauben", "versuchen", "schätzen", "beabsichtigen", "davon ausgehen", "anstreben" und ähnliche Wendungen gekennzeichnet. Diese Aussagen bringen Absichten, Ansichten oder gegenwärtige Erwartungen und Annahmen des Bieters, der mit ihm gemeinsam handelnden Personen und deren Unternehmensleitungen, z.B. hinsichtlich der möglichen Folgen des Erwerbsangebots oder seines Vollzugs für die Hypo Real Estate Holding AG, ihre Aktionäre, den Bieter und mit diesem gemeinsam handelnde Personen oder hinsichtlich zukünftiger Finanzergebnisse, zum Ausdruck. Die in die Zukunft gerichteten Aussagen beruhen auf gegenwärtigen Planungen, Schätzungen, Prognosen und Annahmen, die der Bieter und die mit ihm gemeinsam handelnden Personen nach bestem Wissen vorgenommen haben, treffen aber keine Aussage über ihre gegenwärtige oder zukünftige Richtigkeit."
Was bedeuten diese Wortspielereien? Im Klartext eigentlich folgendes: Alles, was wir sagen, sind keine Tatsachen! "Diese Aussagen bringen Absichten, Ansichten oder gegenwärtige Erwartungen und Annahmen des Bieters ... zum Ausdruck." Es steht dort nicht, "wir kaufen HRE für 22,50"! Es sind lediglich Absichten, Ansichten oder gegenwärtige Erwartungen und Annahmen. - Wirklich sehr schön formuliert! {mospagebreak}
Wer will eigentlich kaufen? Oder hat die Absicht zu kaufen? Oder erstellt das "freiwillige, öffentliche Erwerbsangebot"?
Das Angebot wurde von einer Firma unterbreitet, die sich HRE Investments Holding L.P. nennt. Diese ist im schönen George Town auf Grand Cayman rechtlich beheimatet. Für ein eigenes Büro hat's offenbar nicht gereicht, so dass die Firma c/o bei Walkers SPV Limited, Walker House, 87 Mary Street untergeschlüpft ist. Das heißt, dass die Firma, die über 1 Milliarde für über 50 Mio. HRE Aktien zahlen will - noch nicht mal ein eigenes Büro hat. Telefonisch ist die HRE Investments Holding L.P. auch nicht erreichbar. Ist es Zufall, dass in diesem "Walker House" zahlreiche Briefkastenfirmen zuhause sind? Das Walker House in der Mary Street in George Town ist ein stadtbekanntes Eldorado für Geschäftsadressen.
Weiter heißt es in dem öffentlichen "Erwerbsangebot":
"Eine von J.C. Flowers koordinierte Investorengruppe, die sich aus von J.C. Flowers & Co. LLC und Grove International Partners LLP beratenen Fonds und Shinsei Bank Limited zusammensetzt, will den Aktionären der Hypo Real Estate Holding AG („HRE") über die Erwerbsgesellschaft HRE Investment Holdings L.P. ein freiwilliges öffentliches Angebot zum Erwerb von maximal 50.076.000 Aktien der HRE unterbreiten. ...
Der Angebotspreis soll 22,50 EUR pro HRE-Aktie in bar betragen, woraus sich ein maximaler Kaufpreis von 1,1 Mrd EUR errechnet."
Kaufpreis 1,1 Milliarden Euro? Die HRE notierte schon seit Mitte Januar unter 22,50 Euro. Wenn man also wirklich interessiert gewesen wäre, hätte man die Aktien schon längst viel billiger kaufen können. Seit Mitte Januar sind fast 400 Millionen Aktien gehandelt worden. Das durchschnittliche Handelsvolumen beträgt 6 Millionen Aktien am Tag. Hätte man also an der Börse gekauft, dann hätte man leicht geschätzte 300 Mio. gespart. Was soll also jetzt dieses Angebot? {mospagebreak}
Weiter heißt es im Text:
"Die Investorengruppe legt bei ihren Investitionsentscheidungen grundsätzlich folgende Erfolgsfaktoren zugrunde: eine Erfolg versprechende Geschäftsstrategie mit nachhaltigen Zukunftsperspektiven, ein kompetentes und bewährtes Unternehmensmanagement sowie ein uneingeschränktes, von gegenseitigem Vertrauen geprägtes Einvernehmen mit Aufsichtsrat und Vorstand über das Engagement und die Unternehmensziele."
Das liest sich wie der Text in einer Selbstdarstellungsbroschüre der HRE. Äußerst merkwürdig, dass der Übernehmer schon im Vorfeld das Opfer so attraktiv darstellt. Sieht eher aus, wie eine Botschaft, die man an den Aktienmarkt senden will: Die HRE, ein hervorragendes Unternehmen! Botschaft: Also, Jungs, kauft schon mal vor, wir garantieren euch dann die 22,50.
"Eine Erfolg versprechende Geschäftsstrategie"? Das ist genau das Gegenteil, was man in der Öffentlichkeit hört. Manche Analysten meinen sogar, dass die HRE extrem schlecht gemanagt sei. Immerhin ist die Aktie von 50 auf 12,80 gefallen! Analysten und Aktionärsschützer forderten sogar den Rücktritt des Vorstands der Hypo Real Estate wegen Missmanagement. Citigroup-Analyst Kiri Vijayarajah empfiehlt die Aktie mit einem Kursziel von 17 EUR wie bisher zu verkaufen. Die hohen "Leverage Ratios" von Hypo Real Estate nährten die Sorge vor künftigen Kapitalerhöhungen belaste deshalb weiter den Aktienkurs.
Weiteres Zitat aus dem "freiwilligen, öffentlichen Erwerbsangebot":
"Die Investorengruppe bietet dem Management ihr umfangreiches Kontaktnetzwerk und Unterstützung bei möglichen, zukünftigen Expansionsschritten an. Hierzu gehört unter anderem die Prüfung einer Kooperation zwischen der HRE Group und der Shinsei Bank"
Mit dieser Aussage sollen Zukunftsaussichten der HRE offenbar rosarot gezeichnet werden. Doch ob eine Zusammenarbeit mit der Shinsei Bank zustande kommt, ist unsicher. Im Text heißt es lediglich "bietet an" "bei möglichen, zukünftigen..." sehr geschickt formuliert. Analyst Vijayarajah von der Citigroup meint, die anhaltenden "Kapitalgrenzen" würden verhindern, dass die avisierte Zusammenarbeit von Hypo Real Estate mit der japanischen Shinsei Bank in der Staats- und Immobilienfinanzierung "potenzielle neue Wachstumsmöglichkeiten" realisieren werde. Investoren würden deshalb die Motivation von J.C. Flowers, eine Beteiligungsprämie zu zahlen, in Frage stellen. Citigroup sehe keinen versteckten Wert oder schnelle Gewinne, die den Wert von Hypo Real Estate erhöhen könnten.
Über J.C. Flowers: J.C. Flowers wurde 2002 gegründet und ist der weltweit größte Finanzinvestor, der sich ausschließlich auf den Finanzdienstleistungssektor konzentriert. J.C. Flowers ist mit rund neun Milliarden USD, die sich auf mehr als 20 Transaktionen verteilen, in Finanzunternehmen investiert.
Also: Milliarden in Finanzunternehmen investiert! Diese haben wurden sicherlich nicht im letzten Quartal erworben. Die Investition in Finanzunternehmen bedeutet - je nach Kaufdatum - ein Verlust von 30 - 70%.
FAZIT: Es darf mit Spannung abgewartet werden, ob das "Erwerbsangebot" auch realisiert wird. Eines hat die Aktion allerdings erreicht: Bis jetzt stabilisiert sich die Aktie über dem Niveau von 20 Euro. Und mancher Shortseller hat bei dieser Aktion viel Geld verloren.