Der Einfluss der Schweinegrippe im historischen Pandemie-Vergleich. Welche Auswirkungen hatten "Spanische Grippe", Hongkong Grippe" und andere Pandemien auf die Kapitalmärkte?
Wie ich schon am 23.07.09geschrieben hatte, verwundert mich, wie ruhig die Analysten angesichtsdes des Anstiegs der Infizierten in Deutschland bleiben. Normalerweisewürde eine Pandemie, wie es die Schweinegrippe ist, zu mehrSchreckensszenarien führen. Aber nach SARS und der Vogelgrippe, diejeweils vergleichsweise harmlos verlaufen sind, scheinen kaum nochAnalysten den Mut zu haben, zu warnen. Gerade dieser Gewöhnungseffektist natürlich gefährlich. Doch darauf bin ich schon eingegangen. Heutewenden wir uns der Frage zu, wie sich Pandemienin der Vergangenheit auf die Börsen ausgewirkt haben und welcheSchlüsse man daraus für sein eigenes Anlageverhalten ableiten kann:
Die Spanische Grippe
Die größte Pandemie des vergangenenJahrhunderts ist unter dem Namen „Spanische Grippe“ in die Geschichteeingegangen. Sie wütete in den Jahren 1918 und 1919. Die erste Welleverlief noch ähnlich harmlos, wie zurzeit die Schweinegrippe. Erst mitdem Start der zweiten Welle, Ende September 1918, verbreitete sich eineextrem aggressive Variante.
Im August 1918 starben in den USA2.800 Menschen. Im September waren es schon 12.000. Doch die Börsenbegriffen erst Ende Oktober, wie gefährlich diese Grippewelle war.Schauen wir auf den Chart was passierte.
Vom 20.10.1918 gab der Dow Jones biszum 09.02.1919 um gerade mal 10,91 % nach. Am 23.03.1919 wurde dasehemalige Hoch allerdings wieder erreicht. Hier erkennt man also trotzdieser gewaltigen Pandemie kaum einen Einfluss.
Die Asiatische Grippe
Eine weitere Grippepandemie brach1957 in Hongkong und Singapur aus und erreichte schließlich auch dieUSA und Europa. An dieser Pandemie starben schätzungsweise ein bis zweiMillionen Menschen weltweit (ca. 30.000 in Deutschland). Auch hierlohnt ein Blick auf den Chart:
Den Höhepunkt erreichte dieAsiatische Grippe im September 1957. Vom Hoch am 21.07.1957 brachen dieKurse um satte 20,45 % ein. Das ehemalige Hoch wurde bereits ein Jahrspäter am 14.09.1958 wieder erreicht. Als Begründung für den starkenEinbruch wird zwar angeführt, dass der Dow Jones zuvor von 1949 bis indas Jahr 1957 um weit über 200 % angestiegen war, und die USA 1957 ineine Rezession abrutschte, die Heftigkeit des Einbruchs und die Stärkedes Anstiegs im Anschluss lassen jedoch vermuten, dass sich hier dochauch die Pandemie ausgewirkt hat.
Die Hongkong-Grippe
Die Hongkong-Grippe war die letzteder großen Pandemien des 20. Jahrhunderts und brach 1968 aus. Sieverursachte ca. 800.000 – 2 Mio. Todesfälle (verschiedene Quellen geben30.000, 50.000 und 88.000 Tote in Deutschland an). In Deutschlandwaren zeitweise bis zu 50 % (!) der Bevölkerung erkrankt.
Die USA gerieten ab Dezember 1969bis Ende 1970 in eine tiefe Rezession. Dort gab es den ersten Fall derHongkong-Grippe im September 1968. Den Hochpunkt der Todesfälle gab esdann im Dezember 1968 und Januar 1969. 1970 und 1972 tauchte der Viruserneut auf.
Es ist schwierig zu sagen, wie sehrdiese relativ milde verlaufende Pandemie den weiteren Kurseinbruch desDow Jones verursacht hat. Auffällig ist aber, dass der Hochpunkt derGrippewelle mit dem Hoch im Dow Jones zusammenfällt. Einer derentscheidenden Gründe für den massiven Abverkauf von über 30 % warjedoch sicherlich der Vietnamkrieg. Die USA rutschten Ende 1969 zudemauch aufgrund der hohen Leitzinsen, die dem enormen Kapitalbedarfwährend des Krieges geschuldet waren, in eine Rezession.
Russische Grippe
Die russische Grippe, deren Viruserstmals im Mai 1977 in Nordchina isoliert wurde, wird allgemein nichtals große Pandemie bezeichnet, da sie vor allem auf jüngere Menschenbeschränkt blieb. Es war ein ähnlicher Erreger wie der, der dieasiatische Grippe 1957 ausgelöst hatte. So waren die meisten Menschen,die über 20 Jahre alt waren, immun. Aus diesem Grund sind auch dieAuswirkungen dieser Grippe auf die Wirtschaft als gering einzustufen.
Ein Einfluss ist festzustellen
Wir können festhalten, dassGrippepandemien immer einen gewissen Einfluss auf die Börsen hatten.Das hat unabhängig von der Letalität (Sterblichkeit) einer solchenPandemie natürlich auch etwas mit den Krankmeldungen zu tun. Wenn 50 %der Bevölkerung an Grippe erkranken, können viele Unternehmen nichtmehr wie gewohnt arbeiten und produzieren. Zudem sinkt auch dieKonsumbereitschaft der Menschen, da Kaufhäuser und Innenstädte gemiedenwerden. Der öffentliche Verkehr bricht zusammen, aber auch dieöffentliche Versorgung (Post / Telefon), was wiederum Auswirkungen aufdie Wirtschaft hat. Ebenso werden Transportunternehmen nicht mehr wiegewohnt Waren, Rohstoffe, Lebensmittel, etc. transportieren können. Dieärztliche Versorgung ist nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet,selbst Feuerwehr und Polizei sind nur noch eingeschränktfunktionstüchtig. Je länger eine solche Pandemie dauert und je mehrMenschen davon betroffen sind, desto heftiger werden also dieAuswirkungen auf die Wirtschaft und damit auch auf die Börsen.
Die Pandemie-Rally
Es ist nur logisch, dass Pandemienje nach Stärke und Dauer auch durchaus in der Lage sind, eineWirtschaft in eine tiefe Rezession zu stürzen. Wenn die Anzahl derTodesfälle nicht zu groß ist, sollte es aber im Anschluss an einePandemie zu einer starken Aufwärtsbewegung an den Börsen kommen. VieleProduktions- und Konsumprozesse, die zuvor aufgrund des hohenKrankenstandes zum Erliegen gekommen waren, sind schließlich nuraufgeschoben, nicht aufgehoben. Sobald sich das gesellschaftliche Lebenwieder beruhigt, wird es also zu einem Wachstumsschub kommen, der sichauch an den Börsen widerspiegelt. Auch diesen Effekt erkennt man sehreindrucksvoll in den oben dargestellten historischen Beispielen.
Noch kein Grund zur Panik
Wir wissen nicht, ob sich dieSchweinegrippe in Deutschland zu einer ausgewachsenen Epidemieentwickelt. Wir wissen auch noch nicht, ob es, wie schon öfters, einezweite wesentlich aggressivere Welle geben wird. Aber wir können anhandder oben aufgeführten Beispiele und den erwarteten Auswirkungen auf dieWirtschaft sehr schön prognostizieren, wie sich die Kurse in einerPandemie verhalten werden:
Je stärker die Pandemie ist, destogrößer ist der Einfluss auf die Wirtschaft und damit auf die Börsen,sprich es kommt zu einem Kurseinbruch. Je größer der Einbruch ist,desto stärker wird die nachfolgende Erholung.
Rechtzeitig planen
Im Rahmen dieses Newsletters kann esnicht darum gehen, welche Auswirkungen eine Schweinegrippe auf denMenschen hat, und was man am besten tun sollte, um seine Gesundheit zuschützen. Auch geht es nicht um die Frage, ob eine zweite aggressivereWelle wahrscheinlich ist oder nicht. Solche Fragen will ich lieber denentsprechenden Experten überlassen.
Doch wer sein Geld in Aktieninvestiert, sollte grundsätzlich sehr früh alle möglichen Worts-Case-Szenarien analysieren und entsprechende Schritte im Vorfeld planen, umnicht plötzlich überrascht zu werden. Überraschung führt häufig zuFehlern.
Die historischen Vergleiche gebenhier gute Hinweise, wie man sich positionieren muss, wenn es zumWorst-Case kommt. Als langfristiger Anleger kann man eine solchePandemie aussitzen. Eventuell empfiehlt sich eine Absicherung, wennsich die Situation verschärft. Als kurz- und mittelfristiger Anlegersollte man die oben vorgestellten historischen Charts als Hinweis aufeine mögliche Kursentwicklung nutzen.
Hilfe in der Not
Zum Schluss bleibt nur zu hoffen,dass sich diese Pandemie nicht in eine aggressivere Varianteverwandelt. Schließlich könnte jeder von uns davon betroffen sein. Dochwahrscheinlich wird es wieder nur die Ärmsten der Armen dieser Welttreffen, da sich die westlichen Industrieländer sowohl Impfungen alsauch eine entsprechende medizinische Versorgung leisten können undhierfür die logistischen wie kommunikationstechnischen Voraussetzungenhaben. Aus diesem Grund sollten wir spätestens, nachdem wir uns eineWeile Sorgen um unsere Gesundheit gemacht haben und nachdem wir unserVermögen in Sicherheit gebracht haben, auch einmal Gedanken um diemachen, denen es nicht so gut geht wie uns. Gerade wenn diese Pandemienicht so glimpflich ausgeht, wie die der letzten Jahrzehnte, kann Ihr„gerettetes“ Geld helfen, Not zu lindern.
Steffens Daily --->stockstreet.de