Bei einer schnellen wirtschaftlichen weltweiten Erholung nach der Krise hält die Internationale Energie-Agentur (IEA) extreme Preissprünge beim Öl für möglich.
IEA-Chefökonom Fatih Birol sagte der „Berliner Zeitung“ (Montag-Ausgabe), beim Öl zeichne sich bereits ab 2011 die nächste Knappheit ab, „und das treibt die Preise“.
Birol betonte: Wenn die wirtschaftliche Erholung schnell verlaufe, „droht bald eine sehr, sehr angespannte Versorgungslage, die zu extrem hohen Preisen führen kann. Das macht mir große Sorge, denn es würde die Weltwirtschaft wieder abwürgen.“
Besonders Länder wie China, Indien und die Ölstaaten könnten ihren Verbrauch schon bald wieder schnell erhöhen. Es sei zwar richtig, dass derzeit hohe Reservekapazitäten vorhanden seien, die Ölproduzenten also sehr schnell deutlich mehr aus der Erde pumpen könnten. Birol betonte aber: „Die Ära des billigen Öls ist vorbei.“
Zur Knappheit der weltweiten Öl-Vorkommen sagte Birol. "In den Opec-Ländern, insbesondere im Nahen Osten, gibt es nach deren Angaben noch sehr große Vorräte. Ich denke, bis 2020 ist die Versorgung der Welt mit den bekannten Lagerstätten noch einigermaßen gewährleistet.“
Aber danach müssten 20 Millionen Fass pro Tag neues Öl entdeckt werdenen. „Das ist nicht einfach, es hängt von der Ölpolitik und dem Investitionsklima der wichtigsten Förderländer ab“, so Birol. „Wir müssen auch neue Ressourcen ausbeuten – zum Beispiel Tiefseevorkommen oder Teersande. Ich hoffe, dass wir bis dahin Alternativen zum Öl haben, insbesondere bei Transport und Verkehr.“
Der Chefökonom der Internationalen Energie-Agentur hat sich ausserdem für einen deutlichen Ausbau der Kernenergie ausgesprochen, um den Klimawandel in Grenzen halten zu können: „Derzeit beträgt der Anteil der Atomenergie am gesamten klimaneutral erzeugten Strom weltweit rund 18 Prozent. Er sollte sich unserer Ansicht nach verdoppeln bis 2030.“
Auch wenn die erneuerbaren Energien wie Wind und Solar eine wichtigere Rolle spielen müssten und „das auch tun werden, braucht die Welt einen kräftigen Ausbau der Kernenergie, und zwar schnell“. Birol betonte: „Wir können es uns nicht leisten, auf eine der Quellen für klimaschonenden Strom zu verzichten. Dazu geschieht der Klimawandel zu schnell.“
Birol plädierte für den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke in Deutschland. Er halte das für eine gute Option für Deutschland. „Die Kraftwerke sind schon da und noch nicht übermäßig alt“, sagte er. Neben dem Klimawandel werde auch die Abhängigkeit von Importen reduziert, zum Beispiel von russischem Gas.
Der IEA-Chefökonom nannte als große Aufgabe ebenfalls den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Deutschland braucht noch mehr Windräder, noch mehr Photovoltaik-Anlagen und noch mehr Biomasse.“ Allerdings sollten alle Maßnahmen darauf geprüft werden, „ob sie wirklich das Klima schützen, ob sie die deutsche Abhängigkeit von Energie-Importen reduzieren und ob sie wirtschaftlich sinnvoll“ seien.
Deutschland sollte nach Ansicht von Birol zudem Anreize setzen und Geld investieren, damit die Autoindustrie bei Umwelttechniken „ganz vorne mit dabei ist“. Derzeit seien 95 Prozent aller Autos auf der Welt mit gewöhnlichen Verbrennungsmotoren ausgestattet. „Bis 2030 müssen wir den Anteil von Elektro- und Hybridautos auf mindestens 60 Prozent bringen, um den durch den Klimawandel drohenden Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen“, sagte Birol.