Nach zehn Jahren Boom sieht es an den Börsen weltweit immer bedrohlicher aus. Der DAX ist in diesem Jahr schon 10% im Minus. Zinsen, Geopolitik und nachlassende Wirtschaft bestimmen das Bild.
Börsen-Zeitung: "Trübsal am Aktienmarkt" Kommentar zu Lage an den Aktienmärkten von Christopher Kalbhenn
Die Rally, mit der die Aktienmärkte am Mittwoch auf die Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten reagiert haben, hat sich als kurzlebig erwiesen. Zum Wochenschluss war der Effekt bereits verpufft, der Dax lag zuletzt mit 11.526 Zählern unwesentlich über dem Niveau, auf dem er vor den Wahlen gelegen hatte.
Mit dem Wahlergebnis ist zwar ein Unsicherheitsfaktor vom Tisch, und es entsprach auch den Erwartungen. De facto hat sich an der Ausgangslage für die Aktienmärkte nicht viel verändert. Zwar wird Donald Trump das Regieren mit einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus schwerer fallen. Ein unberechenbarer Unruhefaktor wird der US-Präsident jedoch bleiben.
Das gilt nicht zuletzt für den Handelskonflikt mit China, der die Aktienmärkte seit geraumer Zeit hemmt und erhebliche Risiken für die Weltwirtschaft und für die Aktienmärkte birgt. Unmittelbar vor den Wahlen haben Trump und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping zwar versöhnlichere Töne angeschlagen. Für Trump erfüllte dies jedoch zumindest teilweise den Zweck, sich vor dem Wahlvolk als erfolgreicher Macher zu inszenieren. Es ist daher noch völlig unklar, ob das Handelskonfliktrisiko mit dem Treffen von Trump und Xi auf dem G20-Gipfel entschärft wird.
Ähnliches gilt aus Sicht der Aktienmärkte für die übrigen "Baustellen". Ob ein Hard Brexit doch noch abgewendet wird, ist ebenfalls unklar. Zudem schwelt der Konflikt zwischen der EU und Italien um den Staatshaushalt des Landes unvermindert weiter. Die Kommission hat in der abgelaufenen Woche Prognosen für das italienische Wachstum veröffentlicht, die deutlich unter denen der italienischen Regierung liegen.
Daraus ergeben sich für 2018 und 2019 Haushaltsdefizite von 2,9% und 3,1%, deutlich mehr, als die italienische Regierung mit 2,4% und 2,1% angesetzt hat. Diese wiederum gab vor der am Dienstag fälligen Antwort auf die Bedenken der EU klar zu verstehen, dass sie an ihrem Haushaltsentwurf festhalten will.
Kein Wunder, dass die Aktienmärkte noch auf der Bremse stehen und zögern, zu der von vielen erwarteten Jahresendrally anzusetzen. Zumal sich auch das wirtschaftliche Umfeld eintrübt.
In diesem Jahr wird das globale Wachstum, anders als noch Anfang 2018 erwartet, nicht anziehen, sondern leicht zurückgehen. 2019 wird der von Trump gesetzte Fiskalimpuls schwinden, und mit den USA und China werden die beiden größten Volkswirtschaften der Welt an Schwung verlieren, so dass das globale Wachstum nochmals zurückgehen wird. Das ist gerade für exportorientierte Industrienationen wie Deutschland ein Problem. Nicht zu vergessen, dass die amerikanische Notenbank am Donnerstag erneut ihren Zinserhöhungskurs bekräftigt hat.
Am inländischen Aktienmarkt wird die Stimmung durch die nicht abreißenden Enttäuschungen durch die Unternehmensgewinnentwicklung zusätzlich getrübt. Jüngstes Beispiel war am Freitag Thyssenkrupp. Das Unternehmen schockte den Markt mit einer weiteren Gewinnwarnung, woraufhin seine Aktie absackte.
Zu Beginn des Jahres hatten Analysten für die Dax-Unternehmen noch ein aggregiertes Gewinnwachstum von 10% vorausgesagt. Diese Spekulation, mit der die zuversichtlichen Dax-Prognosen begründet wurden, ist gründlich danebengegangen. Mittlerweile geht der Konsens von einem Rückgang um 3% aus. Nicht viel besser sieht es für das kommende Jahr aus. Derzeit unterstellt der Konsens mit 11% ein Gewinnwachstum in der Größenordnung der Prognosen, die vor einem Jahr für 2018 abgegeben wurden. Angesichts des derzeitigen Umfelds dürften auch diese Erwartungen enttäuscht werden.
Auf der Habenseite stehen unter anderem die gesunkenen Bewertungen. Hinzu kommt, dass die Weltwirtschaft sich verlangsamt, aber nach den derzeitigen Erwartungen auch im kommenden Jahr ein durchaus zufriedenstellendes Wachstum aufweisen wird. Unübersehbar sind aber die Abwärtsrisiken, die insbesondere vom Handelsdisput zwischen den USA und China ausgehen.
Der Konflikt muss dringend entschärft werden, damit seine direkten Effekte und seine negativen Wirkungen auf die Stimmung der Unternehmen und die Investitionstätigkeit nicht zu einem schärferen Abschwung führen. Damit bleiben die Augen der Anleger bis zum G20-Gipfel, der Ende des Monats in Buenos Aires beginnt, auf den amerikanischen Präsidenten gerichtet.