Die Finanzkrise liegt zehn Jahre zurück. Mit Null-Zins und Billionen haben Zentralbanken das Ruder noch mal rumgerissen. Doch die Wirtschaft zeigt erste Schwächezeichen. Droht nun Rezession und eine neue Krise?
von Robert Rethfeld
Das deutsche BIP-Wachstum verzeichnete im dritten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal einen Rückgang um 0,2 Prozent. Ein Ausrutscher, schrieben die Medien. Die Bewegung hänge mit der Umstellung der deutschen Autoindustrie auf den neuen Prüfzyklus WLTP zusammen.
Diese Erklärung lässt sich nicht von der Hand weisen, lässt aber zu wünschen übrig. Das Jahr 2018 war in Europa von einer abnehmenden wirtschaftlichen Aktivität geprägt. Ein überragendes Wachstum im Jahr 2017 wich einem Anstieg des Pessimismus der Einkaufsmanager.
Dieser Abwärtstrend setzt sich nach vorläufigen Zahlen auch im November fort. Der Index für das verarbeitende Gewerbe fiel auf 51,5 Punkte. Er nähert sich damit der Schrumpfungsschwelle von 50 Punkten. An dieser Stelle friert das Wachstum ein, es kommt zum Stillstand.
Die Entwicklung in Deutschland verläuft ähnlich (folgender Chart).
Der Trend ist dein Freund. Es braucht wenig Phantasie, um sich im Jahr 2019 einen Rutsch unter die 50-Punkte-Marke vorzustellen. Das verarbeitende Gewerbe ist ein zyklisches Geschäft. Maschinenbau und Autoproduktion sind abhängig von Aufträgen aus Übersee, gerade auch aus China.
Es fällt auf, dass der Dienstleistungsindex weitgehend stabil bleibt. Die Verbraucher sind optimistisch, der Konsum ist ungebrochen, das Weihnachtsgeschäft scheint viel Geld in die Kassen des Handels spülen zu wollen. Die niedrige Arbeitslosenquote dürfte ein wichtiger positiver Faktor sein. Würde beispielsweise in der Autoindustrie oder im Maschinenbau die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust steigen, würde der Dienstleistungsindex negativ nachziehen.
Der Optimismus der europäischen Verbraucher zeigt analog zur Wirtschaftsentwicklung seit Anfang 2018 eine Trendwende, die möglicherweise zunächst kaum spürbar ist, die sich aber verstärken und durchaus längerfristiger Natur sein könnte. Lediglich im Jahr 2000 kam es zu ähnlich hohen Werten wie Ende 2017 (folgender Chart).
Auch der ifo-Geschäftsklimaindex fällt seit Anfang 2018. Die Korrelation zum Kurs-DAX ist positiv. Ein weiterer Fall der Wirtschaftsindikatoren würde KDAX und DAX weiter absacken lassen.
Früher zeigte der DAX eine Verlaufsähnlichkeit zu den US-Märkten. Das hat sich geändert. Im Jahr 2018 war die positive Korrelation des DAX zu den Emerging Markets-Indizes offensichtlich. Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der zyklischen Kraft der Schwellenländer – insbesondere China – wuchs in den vergangenen Jahren.
Die Aufgabe der Politik besteht darin, die zyklische Natur der Märkte zu erkennen und die negativen Folgen eines Abschwungs oder einer Rezession mit entsprechenden Maßnahmen abzumildern.
In der Finanzkrise 2008/2009 gelang dies in Deutschland vorbildlich. Man achte auf den Spread der deutschen Arbeitslosenquote zu anderen EU-Arbeitslosenquoten nach 2008.
Der entschlossene Umgang mit dem Thema Kurzarbeit ließ nennenswerten Frust über eine längere Arbeitslosigkeit gar nicht erst aufkommen.
Deutschland ist mittlerweile erfolgsverwöhnt. Die Steuereinnahmen sprudeln und lassen in den Bundes-, Landes- und kommunalen Haushalten Freude aufkommen. Jetzt ist die Zeit, sich ans Werk zu machen. Schubladenpläne müssen überarbeitet und erstellt werden. Insbesondere die Herren Altmaier und Scholz tragen dafür eine besondere Verantwortung.
Während Deutschland aufgrund seines im Verhältnis zum BIP gesunkenen Schuldenstandes und der niedrigen Zinsen über finanzielle Möglichkeiten zur Abfederung von Krisen verfügt, haben Staaten wie Frankreich, Italien oder Spanien keine Vorsorge geleistet. Der Prozentsatz vom BIP ist gleich oder höher als im Jahr 2012.
Die Europäische Zentralbank wird auch in der nächsten Krise helfen. Nur scheinen die Lerneffekte gering. Ich gehe mit Macron: Wenn wir schon eine europäische Währung haben, dann sollte ein europäischer Finanzminister die Haushalte überwachen und koordinieren.
Abschwünge und Rezessionen sind unvermeidlich. Es braucht jemanden, der in einer Krise als Manager auftritt und mit einer geschickten Politik den Schaden im Euroraum minimiert. Eine solche Person sollte in guten Zeiten eingesetzt werden. Sonst ist in schlechten Zeiten die europäische Kakophonie wieder groß.
Zum Thema Europa leistet der italienische Ökonom Guido Tabellini in der NZZ einen bemerkenswerten
Debattenbeitrag.
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