Vor einem Jahr stand der Bitcoin bei 20.000 USD. Aus Euphorie damals wurde pure Angst heute. Bitcoin, Ethereum, IOTA mit Verlusten von bis zu 95%. Ist die Krypto-Party vorbei?
Bitcoin 1 Jahr in Euro
von Sascha Opel
Keine drei Wochen und das Jahr 2018 ist Geschichte. Für Kryptoinvestoren gibt es nichts zu beschönigen. Es war ein Horrorjahr. Selbst eine kleine Jahresendrallye, auf die viele noch hoffen,
kann die Bilanz nicht aufhübschen. Ein Blick auf die bisherige Bilanz ausgewählter Coins unter den Top 20 in 2018, welche wir auf Seite 2 präsentieren, zeigt das Blutbad, welches dem Hype des Jahres 2017 folgte, in seinem schonungslosen, mathematischen Ausmaß.
Zugegeben: Wir waren bereits Ende November 2018 angesichts der Fahnenstangenartigen Entwicklung sehr skeptisch geworden. Aber dass der Hype in einem derartigen Blutbad endet, welches manche Kurse sogar weit unter die Tiefs vor dem 2017er Anstieg drückt, hätten wir Ende 207 nicht für möglich gehalten.
Beispiel IOTA: Das „Berliner“ ICO notierte, als wir diesen Coin im Oktober/November 2017 erstmals vorstellten, bei 0,36 USD. Zu diesem Kurs investierten wir auch in diesen potenziellen Internet-of-Things-Coin mit seiner Tangle-Technologie,welche uns der typischen Blockchaintechnologie nicht nur für IOT-Anwendungen deutlich überlegen erschien.
Der Kurs sprang bis Mitte Dezember auf Hochs von über 5 USD und legte somit über 1.300% in der Spitze zu. Für uns war dies der schnellste 1.000%er, den wir in mehr als 25 Jahren Börsenerfahrung auf dem Papier stehen hatten. Heute steht IOTA bei 0,2293 USD und damit sogar wieder unter dem damaligen Einstandskurs.
Aus 1.300% Gewinn wurden für „Hodler“ 36% Verlust. Wer gar in der damals schier grenzenlosen Gier erst bei 5 USD eingestiegen ist (und nicht die Notbremse gezogen hat), der sitzt auf gut 95% Verlust.
Die Rechnung kennen erfahrene Investoren und ist eine der goldenen mathematischen Börsenformeln:
• Um einen Verlust von 10% wieder wettzumachen, braucht man einen Gewinn von 11,1%.
• Um 20% Verlust aufzuholen sind 25% nötig. Nur dann geht die Schere exponentiell auseinander.
• Bei 50% Verlust sind bereits 100% Gewinn nötig
• Bei 70% sind es bereits 233,3% notwendige Kurssteigerung,
• bei 80% Verlust sind es 400%
• und bei 90% sind es sage und schreibe 900% an Kurssteigerung, um wieder den Einstandskurs zu erreichen. Bei 95% Verlust sind wir dann bei 1.900% nötiger Kurssteigerung angelangt.
Wir kennen außer Amazon nicht wirklich einen Fall, dem ein solches Kunststück nach einem 95%-Kursverlust jemals gelungen wäre (wem ein weiteres Beispiel aus dem Aktienmarkt einfällt, bitte uns zumailen! Danke!). Doch Amazon war aus dem Internet-Crash 2000 bis 2002 eben die viel zitierte Ausnahme. Die meisten damaligen Highflyer sind heute vom Kurszettel verschwunden und endeten eher im Totalverlust.
Und Ziel des Investments war ja auch nicht, dass man den Einstandskurs erreicht und man irgendwie mit null-auf-null und einem blauen Auge davonkommt. Investiert hat man für Gewinne! Also sind noch weitaus höhere Kurssteigerungen nötig, um die ursprüngliche Intention erfüllt zu sehen.
Wir haben erhebliche Zweifel, ob die Vorstellungen und Ziele von damals jemals - und wenn überhaupt - zügig wieder erreicht werden können. Der Markt ist in Panik und es kommt bereits zu Auflösungserscheinungen.
Um beim Beispiel IOTA zu bleiben. Die IOTA Foundation, die hinter IOTA steht, hat seit Oktober 2017 erhebliche Kooperationen abgeschlossen und fundamentale Fortschritte gemacht, welche sich mit operativen Anwendungen in der Zukunft niederschlagen sollten.
Die Fantasie, dass IOTA einmal zum bevorzugten Bezahlmedium im IOT-Sektor (aber aufgrund der Technologie auch für andere Anwendungen) werden könnte, ist nach wie vor vorhanden. Doch der Markt preist inzwischen sogar ein Scheitern ein.
Die Frage ist also: Sehen wir jetzt gerade - Ende 2018 - ein realistisches Bild des Marktes?
Oder sehen wir aktuell eine völlige Übertreibung nach unten? Eventuell sind wir in einer ähnlichen (pessimistischen) Panikphase, wie wir Ende 2017 eine völlig irrationale Euphoriephase vorgefunden haben.
- Bitcoin (BTC): -75,7%
- 01.01.2018: 14.100 USD / 12.12.2018: 3.425 USD
- Ethereum (ETH): -88,1% (-93,6% vom Jahreshoch)
- 01.01.2018: 755 USD (Hoch am 14.01.:1.400 USD) / 12.12.2018: 89,60 USD
- Ripple (XRP): -86,8%
- 01.01.2018: 2,30 USD / 12.12.2018: 0,3031 USD
- Stellar (XLM): -68,5% (-87,3% vom Jahreshoch)
- 01.01.2018: 0,36 USD (Hoch am 04.01.: 0,892 USD) / 12.12.2018: 0,1133 USD
- EOS: -82,2% (-90,9% vom Jahreshoch)
- 01.01.2018: 8,72 USD (Hoch am 30.04.: 21,18 USD) / 12.12.2018: 1,92 USD
- IOTA: -93,6%
- 01.01.2018: 3,56 USD / 12.12.2018: 0,2293 USD
- Bitcoin Cash: -96,2%
- 01.01.2018: 2.534 USD / 12.12.2018: 96,10 USD
- Litecoin: -89,5%
- 01.01.2018: 231 USD / 12.12.2018: 24,28
- Monero: -87,6%
- 01.01.2018: 350 USD / 12.12.2018: 43,40 USD
- NEM: -93,4%
- 01.01.2018: 1,04 USD / 12.12.2018: 0,0688 USD
- Binance Coin: -42,9%
- 01.01.2018: 8,63 USD / 12.12.2018: 4,93 USD
Der Blick auf die gesamte Entwicklung des Marktes lässt unserer Meinung nach den Schluss zu, dass wir nach der Euphorie des Jahres 2017 inzwischen in einer breiten und brutalen Marktbereinigung angekommen sind.
Die Liste auf „Deadcoins“ steigt beinahe täglich.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass unter den Top-30 Coins in 2019 bei einigen das Licht ausgeht. Die Performance ausgewählter Coins unter den Top-20 lässt erahnen, dass es sehr schwer und langwierig werden dürfte, bis die alten Hochs wieder erreicht werden.
Ob es überhaupt einen der aufgeführten Coins gelingt, bleibt fraglich. Am ehesten sehen wir die Möglichkeit noch beim Binance Coin, der „nur“ 43% verlor. Aber nur, wenn der Handel mit Kryptowährungen wieder anziehen sollte und damit Binance als eine der führenden Handelsplattformen profitiert.
Sollte der Markt in 2019 weiter dahinsiechen, wird es aber auch hier tiefer in den Keller gehen.
Beim Bitcoin wird viel davon abhängen, ob dieser sich als eigene Anlageklasse etablieren kann. Dass der Bitcoin und der Kryptomarkt überhaupt eine eigene Anlageklasse sind, die sich in turbulenten Börsenphasen behaupten kann (wie zum Beispiel Gold im Krisenfall negativ zum Aktienmarkt korreliert), ist man 2018 auf jeden Fall schuldig geblieben.
Im Gegenteil: Gerade als es an den internationalen Börsen in den letzten Wochen zu Verwerfungen kam, gingen Bitcoin & Co. ebenfalls auf Tauchstation.
Viele Anleger werden sich seitdem fragen: Warum sollte ich auf Bitcoins als Hedge gegen Banken– und Börsenkrisen setzen,
wenn diese noch mehr verlieren als Aktien oder Anleihen? Diesen Vertrauensverlust muss die Szene nun erst einmal verdauen. Ob und wie die Verdauung in 2019 gelingt? Wir sind sehr gespannt.