Die Aussicht, dass die europäische Zentralbank die Zinsen mal wieder anhebt, gehen gegen Null genauso wie der Zinssatz selbst. Die Wirtschaftsaktivität der Eurozone schwächt sich bedrohlich ab. Banken können auf Zusatz-Milliarden hoffen.
von Sven Weisenhaus
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf die anhaltende Wirtschaftsschwäche und reduzierte Wachstumserwartungen in der Eurozone reagiert und gestern einstimmig beschlossen, ihre Leitzinsen noch länger unverändert zu belassen als bislang angekündigt. Statt bis über den Sommer 2019 sollen die Zinsen nun noch bis mindestens Ende 2019 auf dem aktuellen Niveau verharren.
Zudem hat die EZB neue gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO-III) für die Banken angekündigt. Diese Kredite sollen zwischen September 2019 und März 2021 vergeben werden und jeweils eine Laufzeit von zwei Jahren haben.
Aktienmärkte reagieren zunächst positiv
Für die Märkte war dieses Mehr an billiger Liquidität zunächst eine positive Nachricht. Die Aktienindizes schossen leicht nach oben. Allerdings blieben die Kursgewinne recht moderat. Der DAX sprang zum Beispiel in einer ersten Reaktion nur um rund 50 Punkte nach oben und konnte dann im weiteren Verlauf noch etwas weiter zulegen.
Diese recht verhaltene Freude war durchaus verständlich. Denn einerseits hatten viele Marktteilnehmer die neuen Maßnahmen der EZB bereits genau so erwartet. Und andererseits bedeuten diese natürlich auch, dass die Konjunktur schwächelt und weiterhin massive Unterstützung benötigt.
EZB: Inflation und Wachstum werden 2019 deutlich geringer ausfallen
Mario Draghi teilte auf der Pressekonferenz mit, dass sich die Wirtschaft schwächer als erwartet entwickelt und sich dies auch entsprechend auf die Inflation auswirkt, die damit länger brauchen wird, um das Ziel von 2 % zu erreichen.
Die Prognose für das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone im laufenden Jahr wurde deutlich nach unten revidiert, von zuvor +1,7 % auf nur noch +1,1%. Im kommenden Jahr soll das BIP-Wachstum mit +1,6% nur leicht geringer ausfallen (bislang +1,7%). Für 2021 lautet die Prognose unverändert auf +1,5%.
Die Inflation wird laut den aktualisierten EZB-Projektionen im laufenden Jahr mit +1,2% erwartet. Zuvor ging die EZB noch von einer Inflationsrate von 1,6% aus. Für 2020 wird nun ein Preisplus von 1,5% (zuvor: 1,7%) und für 2021 von 1,6% (zuvor:1,8%) erwartet.
Trübere Wirtschaftsaussichten belasten Aktienkurse
Für die Unternehmensgewinne, die letztlich Grundlage für die Entwicklung der Aktienkurse sind, sieht es also eher mau aus. Und daher gaben die Aktienkurse ihre Gewinne noch während der Pressekonferenz wieder ab und verloren dann weiter.
Man sollte daher davon ausgehen, dass die große Korrektur (DAX) bzw. Konsolidierung (US-Indizes), in der sich die Aktienmärkte befinden, noch eine Weile anhält. Bleiben Sie also mit Long-Positionen vorsichtig und rechnen Sie auch mit erneuten schärferen Rücksetzern.
DAX befindet sich wieder in einer entscheidenden Situation
Der DAX steckt nach der heutigen Kursentwicklung wieder in einer spannenden Situation. Denn der deutsche Leitindex hat von oben auf die erst kürzlich gebrochene Abwärtslinie aufgesetzt (siehe gelber Kreis im Chart).
Rutschen die Kurse auf Tagesschlusskursbasis unter diese Linie und geben sie danach weiter ab, dann könnten wir hier, wie gestern bereits beschrieben, eine Bullenfalle sehen, auch wenn sich keine Inselumkehr ausbilden konnte.
Das Szenario einer größeren ABC-Korrektur im DAX
Und dann wären sogar neue Korrekturtiefs denkbar. Denn wie ich gestern ebenfalls schrieb, könnten die bislang gesehen Wellen der gesamten Korrektur lediglich Bestandteil einer noch größeren ABC-Korrektur sein (blaues Rechteck im folgenden Chart).
Davon könnten wir bislang die Wellen 1, 2, 3 und 4 (schwarz) der Welle A (blau) gesehen haben. Die Welle 5 der A könnte dann noch zu einem Test der unteren Aufwärtstrendkanallinie führen (linker roter Pfeil).
Dieses Szenario ist solange intakt, wie der DAX nun nicht über das Tief der möglichen schwarzen Welle 1 bei 11.726,62 Punkten steigt. Denn dann hätten wir eine Überschneidung der Wellen 1 und 4, die es nach den Regeln der Elliott-Wellen-Theorie nicht geben darf.
Fazit
Kommt es zur Bärenfalle, ist das Elliott-Wellen-Szenario zu beachten. Verläuft der Test der Abwärtslinie dagegen aus Sicht der Bullen erfolgreich und kann der DAX recht schnell wieder zulegen und über 11.726,62 Punkte steigen, ist wieder Entwarnung angesagt.
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