Der Handelsstreit der USA mit anderen Ländern weitet sich aus und zeigt langsam Wirkung: Es mehren sich die Anzeichen einer Rezession. Zudem haben sich die Frühindikatoren in den USA und China zuletzt deutlich abgeschwächt.
von Sven Weisenhaus
Am Mittwoch der vergangenen Woche hatte ich geschrieben, dass im Handelsstreit der USA gegen diverse Länder der Welt neue dunkle Wolken aufziehen und sich der Handelsstreit auch zu einem Währungs- und Technologiekrieg ausweitet. Seitdem hat sich der Konflikt weiter verschärft. Dabei ist es inzwischen recht unübersichtlich geworden, weil es immer mehr Betroffene und Maßnahmen gibt.
Indien: Das neueste Opfer der Trumpschen Handelspolitik
Indien ist das neueste Opfer der Trumpschen Handelspolitik. Ab morgen werde die bisherige Sonderbehandlung Indiens im Rahmen eines Handelsprogramms für Entwicklungsländer beendet, kündigte US-Präsident Donald Trump kürzlich in einer Erklärung an. Indien biete den USA keinen „gerechten und angemessenen“ Zugang zu seinen Märkten, so die Begründung. Daher werde dem Land der zollfreie Export ausgewählter Waren in die USA, der mit dem bisherigen Sonderstatus verbunden war, ab morgen nicht mehr gewährt. Indien gehen damit Exportvergünstigungen im Wert von 5,6 Milliarden US-Dollar verloren.
USA belegen alle Warenimporte aus Mexiko mit Zöllen
Mexiko hat es jüngst aber noch härter getroffen. Denn US-Präsident Donald Trump kündigte Strafzölle auf alle Warenimporte aus Mexiko ab dem 10. Juni an. Damit will er das Land dazu bewegen, die illegale Migration über die gemeinsame Grenze in die USA zu stoppen. Mexiko drohte umgehend Gegenmaßnahmen an.
Kurioserweise hatten die USA noch vor weniger als zwei Wochen verkündet, dass es für die Nachbarländer USA, Kanada und Mexiko keine Zollschranken mehr beim Handel mit Stahl- und Aluminiumprodukten geben soll, was im Zusammenhang mit dem gemeinsam ausgehandelten Freihandelsabkommen USMCA zu sehen sein sollte (siehe auch Börse-Intern vom 21. Mai).
Absolute Unberechenbarkeit sorgt für hohe Unsicherheit
Erst keine Zölle mehr auf Stahl- und Aluminiumprodukte, dann plötzlich Zölle auf alle Warenimporte aus Mexiko. Die US-Regierung sorgt mit solchen, sich widersprechenden Nachrichten für hohe Unsicherheit. Und gerade Unsicherheit mögen die Börsen überhaupt nicht. Daher erscheint eine defensive Haltung für Trader und Anleger aktuell weiterhin sinnvoll, auch wenn sich die Kurse heute etwas von den weiteren Verlusten der vergangenen Tage erholen können.
USA und China überziehen sich gegenseitig mit neuen Maßnahmen
Zumal der große Handelsstreit zwischen den USA und China weiterhin im Zentrum steht und es auch hier zu einer weiteren Verschärfung gekommen ist. Bereits in der vergangenen Woche hatte das US-Handelsministerium neue Strafzölle auf chinesische Waren angekündigt, diesmal auf Matratzen sowie Bierfässer aus rostfreiem Stahl. (Auch Lieferungen dieser Waren aus Deutschland und Mexiko wurden mit Zöllen belegt.)
China warf den USA daraufhin „nackten Wirtschaftsterrorismus“ vor. Und wohl als Antwort auf den Huawei-Bann der USA nahm China das US-Unternehmen FedEx in den Fokus von Ermittlungen verbunden mit der Drohung, weitere US-Betriebe auf eine schwarzen Liste zu setzen. Wenig später wurden die eigenen Landsleute zunächst vor einem Studium in den USA gewarnt und dann eine generelle Reisewarnung für die Vereinigten Staaten ausgesprochen. Chinesen müssten unter anderem mit Schikanen durch US-Behörden rechnen.
In diesem Handelskrieg werden nun alle Register gezogen
Insbesondere die jüngsten Aussagen und Reaktionen der chinesischen Regierung zeigen, dass wir längst nicht mehr nur von einem Zollstreit sprechen können. Stattdessen haben wir es inzwischen mit einem klaren Handelskrieg zu tun, bei dem nun scheinbar alle Register gezogen werden, um dem Gegner zu schaden.
Rezession im Anmarsch?
Vor diesem Hintergrund ist es kaum ein Wunder, dass sich die Börsen scheinbar mehr und mehr auf eine nahende Rezession einstellen. Dass die Aktienmärkte jüngst wieder deutlich nachgegeben haben, kann noch als normale Gegenbewegung auf die vorangegangenen Kursgewinne gewertet werden. Auch dass der Goldpreis kürzlich sehr dynamisch angestiegen ist (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart), kann man noch der Aktienmarktkorrektur „in die Schuhe schieben“.
Aber dass die Ölpreise trotz deutlicher Angebotsdefizite am Ölmarkt jüngst sehr stark gefallen sind (siehe rote Ellipse im folgenden Chart), ist ein klares Signal für eine drohende Wirtschaftsschwäche.
Auch die immer weiter sinkenden Renditen am Anleihemarkt deuten auf eine starke Flucht in sichere Häfen. Die Umlaufrendite in Deutschland hat schon wieder das Tief aus dem Jahre 2016 erreicht.
Und selbst in den USA, wo der Leitzins um mehr als 2,25 % höher steht als in der Eurozone, sind die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen seit geraumer Zeit im Sinkflug und lagen Ende vergangener Woche nur noch bei 2,14 %.
Zudem haben sich die Frühindikatoren in den USA und China zuletzt deutlich abgeschwächt. Kein Wunder, dass der Fed-Chef von St. Louis, James Bullard, aufgrund der Eintrübung der konjunkturellen Perspektiven die Notwendigkeit sieht, den Leitzins in den USA schnell zu senken. Mit Blick auf die Zinskurve sei die Geldpolitik zu restriktiv, so Bullard. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen wäre das ein durchaus nachvollziehbarer Schritt.
Fazit
Zusammengenommen sind die aktuellen Entwicklungen ein deutliches Warnzeichen für die Wirtschaft und die Börsen. Es gilt daher am Aktienmarkt weiterhin vorsichtig zu sein. Und die von mir längst erwartete „große Seitwärtskonsolidierung auf hohem Niveau“ an den (US-)Aktienmärkten dürfte sich nun mit immer höherer Wahrscheinlichkeit noch eine ganze Weile fortsetzen.
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