Börse und Wirtschaft driften weiter auseinander. Während es an den Aktienmärkten leicht nach oben geht, säuft die Konjunktur weiter ab. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Daten sehen schlecht aus.
von Sven Weisenhaus
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat letzte Woche beschlossen, die Geldpolitik inklusive der im September beschlossenen Maßnahmen unverändert fortzusetzen. Das Statement zum Zinsentscheid enthielt keinerlei inhaltliche Änderungen. Entsprechend bleiben auch die Leitzinsen unverändert auf dem aktuellen Niveau.
Auf der Pressekonferenz gab auch der scheidende EZB-Chef Mario Draghi keine Neuigkeiten bekanntgeben, sondern begründete und bekräftigte lediglich die Entscheidung für den aktuellen Kurs der EZB. Die EZB-Sitzung wurde damit für die Börsen sehr schnell zu einem Non-Event, wie am Dienstag bereits vermutet.
Aktienmärkte und Konjunkturdaten driften weiterhin auseinander
Aktuelle Konjunkturdaten hatten daher heute eine höhere Chance, den Börsen neue Impulse zu verleihen und die jüngsten bullishen Kursentwicklungen der Aktienmärkte zu erklären. Doch diese Chance wurde klar vertan. Denn die ersten Schnellschätzungen der Einkaufsmanagerindizes (PMI) von IHS Markit, die heute für den Monat Oktober veröffentlicht wurden, blieben schwach. Und damit bleibt es für mich ein Rätsel, was die Aktienmärkte aktuell antreibt bzw. auf ihrem erreichten Niveau hält.
Deutsche Wirtschaft zeigt weiterhin deutliche Schwäche
Für Deutschland beläuft sich der PMI für das verarbeitende Gewerbe zum Beispiel auf 41,9 Punkte. Das ist zwar eine leichte Verbesserung gegenüber dem 10-Jahres-Tief von 41,7 Zählern im Vormonat, mit +0,2 Punkten ist der Anstieg aber kaum der Rede wert.
Der Index notiert damit weiterhin tief im rezessiven Bereich, also weit unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten und fast genauso niedrig wie im Finanzkrisentief von 2009. Der Anstieg des Industrieindex bedeutet daher auch keine wirtschaftliche Erholung, sondern lediglich eine minimale Abnahme des Tempos, mit dem der Sektor schrumpft.
Zudem hat sich der PMI für den Service-Sektor mit 0,2 Punkten verschlechtert. Er fiel von 51,4 auf 51,2 Zähler und erreichte damit den niedrigsten Stand seit drei Jahren. Ausschlaggebend hierfür war, dass der zweite Auftragsrückgang in Folge so stark ausfiel wie zuletzt im Juni 2013. Dadurch nähert sich der Frühindikator weiter der Schwelle von 50 Punkten, die zwischen Expansion und Kontraktion unterscheidet (siehe folgende Grafik). Die Schwäche der Industrie breitet sich also zunehmend auf den Dienstleistungssektor aus.
Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass auch der Gesamt-Einkaufsmanagerindex am Boden blieb und mit einer nur leichten Erholung von 48,5 auf 48,6 Punkte nach wie vor eine Rezession der deutschen Wirtschaft anzeigt.
Angesichts der Schwäche der größten Euro-Volkswirtschaft Deutschland kann man es fast schon als Erfolg werten, dass die gesamte Konjunktur der Euro-Zone nahezu stagniert.
Wirtschaft der Eurozone schafft hauchdünnes Wachstum
Der entsprechende Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – legte im Oktober leicht um 0,1 auf 50,2 Punkte zu. Das Barometer blieb damit aber erneut nur hauchdünn über der Marke von 50, ab der zukünftiges Wachstum signalisiert wird.
Hinter der minimalen Verbesserung verbergen sich ein Anstieg beim Teilindex der Dienstleister (51,8 Punkte, +0,2 Punkte) und eine unveränderter Wert beim Teilindex der Industrie (45,7 Punkte). Der Industrieindex liegt damit aber auch hier, wie für Deutschland, weiter tief im Rezessionsbereich. Ein Anziehen der europäischen Wirtschaft ist damit nach wie vor nicht zu erkennen. Die aktuellen Daten deuten auf ein BIP-Wachstum von weniger als 0,1 %.
Brexit-Deal und Entspannungssignale im Handelsstreit helfen
Zu der leichten Erholung oder Stabilisierung dürfte beigetragen haben, dass es stärkere Hinweise auf einen Brexit mit „Deal“ gab und sich der internationale Handelsstreit in den vergangenen Wochen nicht verschärft hat, sondern stattdessen sogar leichte Entspannungssignale zu vernehmen waren. Aber wie ich zu diesen Themen bereits geschrieben hatte, sind sie in ihrer aktuellen Form nicht geeignet, die Wirtschaft zu beleben. Und genau das spiegelt sich nun auch in den Einkaufsmanagerdaten wieder.
Aus meiner Sicht sollte man daher die aktuellen Kursgewinne an den Aktienmärkten genießen, solange sie anhalten. Vergessen Sie aber nicht, die Stopps nachzuziehen! Und an Gewinnmitnahmen ist noch keiner arm geworden.
www.stockstreet.de