Wenn der Euro gegen Dollar an Wert verliert, ist dies nichts anderes als eine Enteignung von Euro-(Assets-)Besitzern. Viele merken das erst, wenn sie im Ausland z.B. einen Kaffee bezahlen. Das war unter DM anders. Die Aussichten sind schlecht.
Euro/Dollar 1 Jahr
von Sven Weisenhaus
Am vergangenen Montag schrieb Torsten Ewert, der ISM-Index für den Dienstleistungssektor könne einen weiteren Hinweis auf die Verfassung der US-Wirtschaft geben. Erwartet wurde ein Anstieg des Stimmungsbarometers von 52,6 auf 53,4 Punkte. Tatsächlich haben die US-Dienstleister ihr Wachstumstempo im Oktober aber sogar noch stärker erhöht. Der Einkaufsmanagerindex legte auf 54,7 Punkte zu.
Zudem war am Montag zu lesen, dass der Teilindex „Geschäftsaktivität“ noch aussagefähiger sei. Hier wurde mit einem minimalen Rückgang von 55,2 auf 55,0 Punkte gerechnet. „Sollte es hier zu einem Anstieg kommen, dürfte das die Konjunktursorgen der Anleger weiter zerstreuen“, schrieb Torsten Ewert dazu.
Und tatsächlich wurden auch hier die Erwartungen im positivsten Sinne geschlagen. Denn statt eines moderaten Rückgangs kam es zu einem Anstieg, durch den der Teilindex auf ganze 57 Zähler zulegte.
Ein klares Plus für den Dollar
Beide Werte notieren damit nicht nur weiterhin oberhalb der Wachstumsschwelle von 50 Zählern, sondern haben inzwischen wieder einen sehr komfortablen Abstand zu dieser Marke erlangt. Die Konjunktursorgen der Anleger haben sich damit weiter zerstreut. In der Folge konnte der Dollar gestern ordentlich zulegen.
Vor diesem Hintergrund muss man die mögliche Trendwende im EUR/USD mit Skepsis beobachten. Zwar hat sich durch die jüngste Zinssenkung der US-Notenbank der Zinsabstand zum Euroraum verringert, was den jüngsten Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar begründen kann, doch ist nun vorerst weder von der Fed noch von der EZB eine Zinsänderung zu erwarten.
Und da die US-Wirtschaft offenbar in einer deutlich besseren Verfassung ist als die Euro-Wirtschaft, spricht dies eher für den Dollar und damit gegen eine Trendwende im EUR/USD.
Anhaltend schwaches Wachstum in der Eurozone
In der Eurozone ist die Wirtschaft in den Sommermonaten nämlich wie erwartet nur leicht gewachsen. Wie das europäische Statistikamt Eurostat bereits am Donnerstag vergangener Woche mitteilte, stieg die Wirtschaftsleistung im 3. Quartal 2019 um 0,2 % im Quartalsvergleich.
Das Wachstumstempo blieb damit immerhin überraschend stabil, nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auch im 2. Quartal um 0,2 % gestiegen war. Die Einkaufsmanagerdaten hatten dagegen auf ein etwas geringeres Wachstum von nur 0,1 % gedeutet (siehe Börse-Intern vom 24.09.2019).
Ähnlich wie in den USA überraschte damit auch in der Eurozone das Wachstum im 3. Quartal leicht, aber im Gegensatz zu den USA ist eine Belebung der Euro-Wirtschaft derzeit laut den Einkaufsmanagerdaten noch nicht in Sicht (siehe auch “Keine Belebung der Wirtschaft in Sicht”).
Wobei die Einkaufsmanagerdaten für den Monat Oktober inzwischen nach oben korrigiert wurden. Wie IHS Markit heute nach einer zweiten Schätzung mitteilte, ist der Composite-Index um 0,5 Punkte auf 50,6 Zähler gestiegen. In der ersten Erhebung war nur ein Anstieg um 0,1 auf 50,2 Punkte ermittelt worden.
Dennoch kann hier bislang nur von einem ersten Signal der Stabilisierung die Rede sein. Zumal die Jahresinflationsrate im Oktober auf nur noch 0,7 % zurückgegangen ist.
Die Kernrate legte zwar leicht zu, von 1,0 % im September auf nun 1,1 %, doch die anhaltende Konjunkturschwäche wirkt weiterhin dämpfend auf die Inflation. Und daher darf sich die Europäische Zentralbank (EZB) auch in ihrer extrem lockeren Haltung bestätigt sehen.
Doch keine kurzfristige Trendwende im EUR/USD?
Während die US-Notenbank Zinssenkungen lediglich als Absicherung des soliden Wachstums vorgenommen hat, befindet sich die EZB in ernsteren Nöten und auf einem deutlich expansiveren geldpolitischen Pfad. Auch dies spricht eher für den Dollar und damit gegen eine Trendwende im EUR/USD.
Zumal der Wechselkurs kürzlich exakt am Hoch vom 21. Oktober abgeprallt (siehe roter Pfeil im folgenden Chart) und wieder an das Tief der zwischenzeitlichen Gegenbewegung zurückgefallen ist (grüner Pfeil). Die erste Chance auf eine Fortsetzung der Trendwende wurde damit vertan.
Noch könnte sich aber lediglich eine ABC-Korrektur ausbilden, auf die dann doch noch eine zweite Aufwärtswelle folgt. Zumal der EUR/USD bislang lediglich 38,20 % der ersten Aufwärtswelle korrigiert hat (graue Linien = Fibonacci-Retracements) und der Aufwärtsimpuls von Anfang Oktober damit noch voll intakt ist.
Allerdings kommt den Euro-Bullen auch noch eine übergeordnete Abwärtstrendlinie entgegen (dicke rote Linie im Chart). Und daher sollte man selbst im Falle eines neuen Bewegungshochs bei der Gemeinschaftswährung noch einen Bruch dieser Abwärtstrendlinie abwarten, bevor man eine Trendwende bejubelt und größere Long-Positionen wagt.
Erholungs- und Wachstumspotential der Eurozone
Eine Trendwende halte ich trotz der oben genannten Gegenargumente auch weiterhin durchaus für möglich – aus den folgenden Gründen:
Die Industrie der Eurozone durchläuft aktuell eine tiefe Krise. Zuletzt haben sich die Frühindikatoren aber auf niedrigem Niveau stabilisiert. Und sollte sich bald sogar eine Belebung abzeichnen, die Krise zu Ende gehen und ein neuer Aufschwung starten, wäre es für neue Investitionen in den Euroraum genau jetzt der richtige Zeitpunkt. Schließlich nehmen die Märkte zukünftige Entwicklungen vorweg.
Und da die US-Märkte hoch bewertet sind und in der Eurozone das Potential im Falle einer Belebung des Industriesektors höher erscheint, könnte ein Kapitalfluss vom Dollar- in den Euro-Raum starten. Und dieser würde zu einer nachhaltigen Trendwende im EUR/USD führen.
Kleine Long-Positionen erscheinen also derzeit durchaus sinnvoll. Und diese kann man beim bullishen Bruch der übergeordneten Abwärtstrendlinie ausbauen.
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