Der Corona-Krise haftet etwas Spukhaftes an. Ist die globale Wirtschaft bald zerstört? Sind die Maßnahmen gerechtfertigt? Top-Investor Alexander Dibelius: Es findet „gerade ein wahnsinniges soziales und gesellschaftspolitisches Experiment statt".
Alexander Dibelius, unter anderem gelernter Mediziner und Ex-Goldman-Sachs-Banker, warnt vor den Versprechungen der Berliner Regierung.
„Das Versprechen der Politiker, dass wir das Ganze ohne erheblichen Wohlstandsverlust bewältigen könnten, ist leider unseriös“, sagte der Top-Investor, der mittlerweile als Partner der britischen Private-Equity-Firma CVC tätig ist, im Handelsblatt-Interview.
„In einer nachhaltigen und tiefgreifenden Rezession, die eine zwangsläufige Folge eines längerfristig verordneten Angebots- und Nachfrage-Schocks ist, wird sich bald herausstellen, dass das versprochene Geld nicht ausreichen kann.“
Für Dibelius „ist der akute Absturz der Weltwirtschaft mit all seinen Folgewirkungen der weit größere und gefährlichere Stresstest als Sars-CoV-2.
Das Credo des 59-Jährigen: „Besser eine Grippe als eine kaputte Wirtschaft.“
Stattdessen finde „gerade ein wahnsinniges soziales und gesellschaftspolitisches Experiment statt: Jahrhundertelang haben wir auf allen Ebenen für unsere individuelle Freiheit gekämpft, für Gesetze und Menschenrechte. Und auf einmal wird vieles davon einfach so quasi über Nacht weggewischt“, so Dibelius.
Das „deutsche Modell der Verzögerungsstrategie“ im Kampf gegen Corona werfe zudem „noch eine andere, utilitaristische Frage auf: Ist es richtig, dass zehn Prozent der – wirklich bedrohten – Bevölkerung geschont, 90 Prozent samt der gesamten Volkswirtschaft aber extrem behindert werden, mit der unter Umständen dramatischen Konsequenz, dass die Basis unseres allgemeinen Wohlstands massiv und nachhaltig erodiert?“
Der Finanzprofi hält nichts von der „derzeitigen, teilweise irrationalen Panik und den Hauruck-Strategien“ der Politik. Was ihn besonders überrascht: „Diskurse, die uns eigentlich stark machen, finden im Angesicht von Corona gar nicht mehr statt.“
Die neue Staatsdominanz sieht der Ex-Investmentbanker ebenso kritisch: „Wer nur mit genug Führungsanspruch auftritt und seine Ideen lang genug als alternativlos postuliert, könnte das Land künftig in Geiselhaft nehmen und jedes Ziel durchboxen, das gerade opportun scheint.“
Dibelius einzige Hoffnung: „Irgendwann wird ein abwägender Umgang mit den Konsequenzen des Shutdowns der derzeitigen, teilweise irrationalen Panik und den Hauruck-Strategien Platz machen und sich der Glaube an eine nachhaltig positive und sichere wirtschaftliche Zukunft durchsetzen. Ich hoffe nur, dass das nicht zu lange dauert, der Wendepunkt nicht zu tief und die bisherigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Errungenschaften nicht zu nachhaltig zerstört sind.“
Der Krise haftet etwas Spukhaftes an. Michael Mross im Gespräch mit Christian Hiß: