Europäische Finanzminister fordern, zur Finanzierung des geplanten Wiederaufbau-Fonds für die europäische Wirtschaft gemeinsame Anleihen auszugeben. Profitieren sollen davon auch Staaten, die nicht im Euro sind. - Auch Merz will mehr Geld für die EU.
Euro-Bonds, also gemeinschaftliche Anleihen für die alle gesamtschuldnerisch haften, sind laut Vertrag von Maastricht nicht erlaubt. Doch das interessiert in Brüssel wenig. Die Krise macht derzeit alles möglich. Gesetze, Vereinbarungen, Statuten in Zusammnhang mit dem Euro - Papier von gestern.
Unterdessen geht die EU sogar noch einen Schritt weiter. Unter Umgehung aller Vereinbarungen denkt man derzeit nicht nur über verbotenene Euro-Bonds nach, also gemeinschaftliche Anleihen aller Länder der Eurozone. Man geht sogar noch einen Schritt weiter!
Mehrere europäische Finanzminister fordern, zur Finanzierung des geplanten Wiederaufbau-Fonds für die europäische Wirtschaft gemeinsame Anleihen auszugeben.
Bedeutet: Gemeinschaftsanleihen auch für Staaten, die gar nicht in der Eurozone sind. Einzige Voraussetzung: EU-Mitgliedschaft.
Damit käme es dann nicht nur zu "Euro-Bonds", sondern praktisch zu "EU-Bonds". Das finden viele Staaten außerhalb der Euro-Zone natürlich sehr attraktiv.
"Der Fonds für den Wiederaufbau sollte uns erlauben, gemeinsam Schulden aufzunehmen. Für die Zukunft, lediglich zeitlich befristet und nur für einen einzigen Zweck, nämlich Investitionen", verspricht der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire der "Welt".
Wie glaubhaft ist das wohl?
Der entscheidende Unterschied zu Euro-Bonds sei, so der Franzose, "dass wir einen zeitlich befristeten, zielgerichteten Fonds schaffen und nicht darum bitten, auf Dauer vergangene und zukünftige Schulden zu vergemeinschaften". Die Idee dahinter sei, die gewaltigen Kosten der wirtschaftlichen Erholung für alle Länder zeitlich zu strecken. Auch aus anderen europäischen Hauptstädten kommen noch Forderungen nach Corona-Bonds.
Was er verschweigt: Davon sollen auch Länder außerhalb der Eurozone profitieren. Dies wär eine neue Dimension. Länder außerhalb der Euro-Zone freuen sich schon auf den Geldsegen:
"Was den `Wiederaufbau-Fonds` und dessen Finanzierung angeht, unterstützen wir sehr die Idee von `Corona- oder Euro-Bonds`", sagte etwa der kroatische Finanzminister Zdravko Maric der "Welt". Aber: Kroatien ist nicht im Euro.
Der kroatische Finanzminister Zdravko Maric argumentiert, sein Land halte gerade die Präsidentschaft des Europäischen Rates und koordiniert deshalb die Verhandlungen in Sachen "EU-Bonds".
Auch Athen fordert gemeinsame Schulden: "Ich bin zutiefst überzeugt, dass die Schaffung des Wiederaufbau-Fonds ganz zentral ist, um die europäischen Volkswirtschaften nach der Krise wieder in Gang zu bringen", sagte der griechische Finanzminister Christos Staikouras der Zeitung. "Er sollte jede mögliche Art von Finanzierung nutzen, ganz besonders innovative Finanzinstrumente, wie gemeinsam begebene Schuldtitel."
IWF: Schuldenlast explodiert
Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die Schuldenlast des Staates durch die Coronakrise auf mehr als 200 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen könnte. Der Wiederaufbau-Fonds für die europäische Wirtschaft, über den die Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag beraten werden, soll Teil des kommenden siebenjährigen EU-Haushalts werden. Unklar ist allerdings noch, wie der bis zu 500 Milliarden schwere Fonds finanziert werden soll.
Auch Merz will mehr Geld für die EU
Die EU muss aus Sicht des CDU-Politikers Friedrich Merz, der sich für den Parteivorsitz bewirbt, finanziell besser ausgestattet werden. Das sei notwendig, damit die EU "die Aufgaben, die die Mitgliedstaaten ihr übertragen, auch finanzieren kann", sagte Merz der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Damit blieben dann auch Einnahmen- und Ausgabenverantwortung in einer Hand. Merz regte an, dass Deutschland seine Ratspräsidentschaft nutzen sollte, über dieses Thema zu sprechen. "Die Entscheidungen über die Finanzierung der EU für die nächsten sieben Jahre fallen alle im zweiten Halbjahr 2020, also während der deutschen Ratspräsidentschaft."
Aus seiner Sicht reiche die Obergrenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Finanzausstattung der EU nicht aus. Zugleich fordert Merz mehr europäische Solidarität ein. "Es kann uns nicht gleichgültig sein, wie es in den Ländern in Europa weitergeht, die schon vor der Coronakrise in einer schwierigen Lage waren."