Warum wurde der Wirecard-Vorstand nicht sofort verhaftet? Warum ist Braun wieder auf freiem Fuß? Ernst & Young: Globaler, konspirativer, umfassender Betrug. Woanders drohen bis 25 Jahre Haft.
Bei vergangenen Wirtschaftsskandalen wurden Haftstrafen von bis zu 25 Jahren verhängt. „Es gibt deutliche Hinweise, dass es sich um einen umfassenden Betrug handelt, an dem mehrere Parteien rund um die Welt und in verschiedenen Institutionen mit gezielter Täuschungsabsicht beteiligt waren“, erklärte EY am Donnerstag.
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun kam am Dienstag nach Hinterlegung einer Kaution von 5 Millionen Euro zunächst frei. Sollten sich die Anschuldigungen erhärten, könnten die Involvierten dennoch mit hohen Geld- und Haftstrafen sanktioniert werden, wie ein Blick auf die Historie zeigt.
So wurde Bernard Ebbers, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Telefongesellschaft WorldCom, im Jahr 2005 aufgrund Bilanzbetrugs zu 25 Jahren Haft verurteilt. Auch in Skandale verwickelte Manager von Volkswagen und der Deutschen Bank mussten in der Vergangenheit mehrjährige Haftstrafen verbüßen.
Vor allem der Fall Enron wird häufig mit der Causa Wirecard verglichen. Der US-Konzern hatte Strafzahlungen in Höhe von 7,1 Milliarden US-Dollar zu begleichen. Jeffrey Skilling, seines Zeichens ehemaliger Manager des Konzerns, wurde aufgrund schwerwiegender Bilanzmanipulationen zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt.
Indes rollt auch auf den Zahlungsdienstleister Wirecard eine Klage-Welle zu. Die Schadensersatzansprüche betragen dieser Tage 2 Milliarden Euro. Der Betrag übersteigt den zuletzt angegebenen Jahresgewinn in Höhe von 347 Millionen Euro um ein Vielfaches.
„Solange das Agieren Einzelner noch nicht vollends geklärt ist, sollte die Unschuldsvermutung gelten“, so Kryptoszene-Analyst Raphael Lulay. „Ein Blick auf zurückliegende Wirtschafts-Skandale macht jedoch deutlich, dass schwerwiegende Konsequenzen für die Verantwortlichen alles andere als unwahrscheinlich sind.
Im Vergleich zum US-Recht sieht die deutsche Gesetzeslage jedoch deutlich geringere Strafen bei Wirtschaftskriminalität vor - so wurde jenseits des Atlantiks für Anlagebetrug schon eine Haftstrafe über 150 Jahre verhängt.“