Einige Ereignisse der letzten Tage machen wieder einmal deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland alter Prägung Geschichte ist.
DK | Hielten sich früher Regierende und Regierte (jedenfalls überwiegend) an Recht und Gesetz und hatten Wirtschaftsbosse so was wie Ehrgefühl, hat sich die Lage total verändert.
Erstaunt blickt die Öffentlichkeit auch nach Stuttgart, wo letztes Wochenende ein Mob, der seine ethnischen Wurzeln nicht in Echterdingen oder Böblingen haben dürfte, kurzerhand die Geschäfte in der Fußgängerzone in der Innenstadt plünderte. Die Polizei brauchte Stunden, um für Ordnung zu sorgen.
Warum es so einfach möglich war, die Fußgängerzone zu demolieren, hat drei Gründe:
1. hat die Politik, deren Vertreter wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) jetzt fassungslos vor den ausgeräumten Läden stehen, für einen Rückbau der Sicherheitsstrukturen gesorgt, so dass der Mob leichteres Spiel hatte.
2. Erklärungen wie in der linksextremistischen „Tageszeitung“ (taz), die Polizisten als Müll bezeichnen, werden von solchen Leuten als ausdrückliche Ermunterung verstanden, Sicherheitskräfte anzugreifen.
3. Dieser Mob ist nicht vom Himmel gefallen, sondern über die gegen alle europäischen Verträge wie Scheunentore offen stehenden deutschen Grenzen eingereist und verlangt jetzt hier Unterhaltung, Brot und anderes (Beispiele finden sich in der Kölner Silvesternacht).
Politiker wie Steinmeier, Merkel, Seehofer und Kretschmann gefallen sich darin, das Sozialamt für die Welt zu sein. Aber von Entschädigung der Ladenbesitzer durch die verantwortlichen Politiker war bisher nicht die Rede. Peter Scholl-Latour, einer der letzten großen Journalisten in Deutschland, pflegte zu sagen: „Wer sich Kalkutta ins Land holt, kriegt auch Kalkutta.“ Bitte sehr, da ist Kalkutta – und es wird noch mehr Kalkutta kommen.
Wirecard
Und nur in einem Land mit verrottenden Strukturen ist der größte Wirtschaftsskandal seit Bestehen der Bundesrepublik möglich. Die Firma Wirecard aus Aschheim bei München hat ihren Aktionären rund 20 Milliarden Euro Verluste beschert.
Der Name Wirecard stand für alles, was Politiker wie Merkel und ihr dicker Wirtschaftsminister Peter Altmaier immer als zukunftsweisend hervorheben: Neue, am besten grüne Formen des Wirtschaftens und alles nur noch digital. Geld verdient wird heute am Laptop, so die Devise eines als Digitalisierung gepriesenen Wirtschaftsprozesses.
Aber bei Wirecard hatte man sich offenbar auf ganz alte Formen der Hochstapelei verlegt: Es wurden den Aktionären und Wirtschaftsprüfern Umsätze vorgespiegelt, die es nie gegeben hatte. Wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ wollte niemand sehen, dass das angeblich zukunftsweisende Geschäftsmodell gar keines war: Niemand fragte nach den Kunden von Wirecard, die angeblich hohe Summen zahlten; und alle glaubten die Mär von den Konten mit zwei Milliarden Euro auf den Philippinen.
Das Inselreich im Pazifik ist nicht gerade als seriöser Finanzplatz bekannt, aber weit weg, so dass Wirecard mit dem Märchen durchkam.
BaFin Desaster
Jetzt spricht der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Felix Hufeld, von einem „kompletten Desaster“.
Man sei nicht „effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so was passiert“. Hufeld jammert von der „entsetzlichsten Situation, in der ich jemals einen DAX-Konzern gesehen habe“. Und wer bitte ist neben den vermutlich kriminellen Wirecard-Bossen verantwortlich für das „komplette Desaster“? Hufeld ist es.
Seine Behörde hatte noch Anfang des Jahres, als Recherchen der britischen Financial Times bereits auf den Betrug hinwiesen, ein „Leerverkaufsverbot“ für Wirecard-Aktien verhängt, um den Konzern und dessen kriminelle Bosse zu schützen.
Denn die Idee der BaFin war tatsächlich, die FT könne mit Spekulanten gemeinsame Sache machen, die auf fallende Kurse wetten wollten. Für solche Operationen werden Leerverkäufe gebraucht. Kurz erklärt: Der Spekulant verkauft eine Aktie für 100 Euro und verspricht Lieferung in vier Wochen. Kann er die Aktie in vier Wochen für 60 Euro kaufen, hat er 40 Euro verdient.
Obwohl auch deutsche Medien (selbst der SPIEGEL) über das seltsame Gebaren von Wirecard, immerhin ein DAX-Unternehmen, berichteten, legte sich Hufeld samt Bafin schlafen, und sein Boss, Finanzminister Olaf Scholz (SPD), gilt ohnehin als Schlaftablette.
Man tritt Scholz wirklich nicht zu nahe mit der Vermutung, dass er mit dem Begriff Wirecard bis vor wenigen Tagen nichts verbinden konnte. Früher hieß das mal „IK was?“, als Kanzlerin Angela Merkel in der Finanzkrise zum ersten Mal von der zusammengebrochenen IKB Industriebank hörte.
Danach versprachen Merkel und alle anderen Politiker, daß kein Bereich des Finanzmarktes unreguliert bleiben werde: Ergebnis der politischen Arbeit von zehn Jahren ist mit Wirecard der größte Börsenskandal in der Geschichte der Bundesrepublik.
Wieder einmal bewahrheitet sich, dass Politiker die Probleme lösen, die wir ohne sie nicht hätten. Sie sind nicht einmal in der Lage, diesen Herrn Hufeld wegen Totalversagens mit sofortiger Wirkung zu feuern.
Die Rolle von Ernst & Young
Aber es gibt noch mehr Erlebnisse. Unsere kleine Reise durch das wie eine Bananenrepublik wirkende Deutschland führt dazu von Aschheim ins Berliner Regierungsviertel, wo zahlreiche Beratungsfirmen ihren Sitz haben.
Ernst & Young (EY) ist so eine Firma mit Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Beratern. Von diesen Nieten im Nadelstreifen, die (vor Corona) in Berlin auf allen Partys herumstanden und große Sprüche klopften, wurden jahrelang die aufgeblasenen Wirecard-Bilanzen testiert.
Offenbar glaubten diese Prüfer die Märchen von Wirecard, weil sie selbst in einer Märchenwelt leben und diese weiter ausbauen. Jeder Steuerberater aus der Provinz wäre misstrauisch geworden, EY wurde es jahrelang nicht. Banker, die Teil dieses Hochstapler-Systems sind, glaubten den Mist auch und gaben Wirecard Kredite.
Ein treffender Kommentar kam von Florian Toncar, einem FDP-Bundestagsabgeordneten: „Der Fall Wirecard ist eine Katastrophe für den Finanzplatz Deutschland und eine Bankrotterklärung der beteiligten Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden.“
Aber warum kam Wirecard so lange mit der Masche durch? Das lässt sich nur mit der politischen, medialen und wirtschaftlichen Szenerie in Deutschland erklären.
Die Hochstapler aus Aschheim trafen auf die Hochstapler in Berlin von Beratungsfirmen und Politik. Wo Digitalisierung angesagt ist, darf niemand Spielverderber sein und sagen, dass der Kaiser nackt ist.
Philipp Amthor
Hier betritt jetzt Philipp Amthor die Bühne. Der nicht einmal 30 Jahre alte Bundestagsabgeordnete der CDU galt als große Nachwuchshoffnung, sollte Vorsitzender des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern werden. Als Schneise auf dem Weg nach oben hatte er sich ein leicht rechtes Image verpasst, obwohl Amthor frei von jeglichen politischen Grundsätzen ist.
Er ließ sich in sozialen Medien für eine angeblich mutige Rede gegen die AfD feiern (obwohl dazu wirklich kein Mut gehört), war Stargast in allen Talkshows. Amthor, der Mann mit angeborener Bügelfalte, fühlte sich zu den Großen der Welt hingezogen.
Sein Verhängnis war, auf einen der allergrößten Hochstapler zu treffen: Karl-Theodor von Guttenberg. Zur Erinnerung: Den CSU-Politiker kostete eine gefälschte Doktorarbeit seine Polit-Karriere. Seitdem befasst sich der reiche Erbe Guttenberg in den USA mit der Digitalisierung. Die Firma, in die sich der junge Amthor nur zu gerne locken ließ, trägt den klangvollen Titel „Augustus“.
Verkaufsfähige Produkte hat „Augustus“ nicht, aber es gab teure Reisen und Aktienoptionen. Irgendwie erinnert die Sache an Wirecard. Und irgendwie sagt das Gefühl, dass Wirecard und Amthor nichts anderes als Blüten auf einem Sumpf sind, zu dem die einst für Wohlstand, Solidität und Sicherheit stehende Bundesrepublik geworden ist.