Kaum eine Aktie bewegt die Aktien-Märkte mehr als Tesla. Der Autobauer kostet derzeit mehr als VW, Daimler, BMW zusammen - rund 280 Mrd. USD. Die Anzahl der produzierten Fahrzeuge ist derweil mikroskopisch. Platzt jetzt die E-Blase?
Tesla 1 Jahr: Star an der Börse
von Sven Weisenhaus
Anleger zeigten sich verzückt. Denn in der laufenden Berichtssaison werden die Erwartungen derzeit reihenweise geschlagen. Und an der Börse weiß man, dass die Aktienkurse häufig steigen, wenn die Erwartungen geschlagen werden. Daher kauften die Anleger auch wieder fleißig Tesla-Aktien, die zunächst kräftig stiegen und weitere Werte mit in ihren Sog nahmen. So weit, so bullish.
Doch am Ende gings mit Tesla trotz vordergründig guter Zahlen bergab. Die Hintergründe:
Kursverläufe und fundamentale Kennzahlen werden außer Acht gelassen
Anleger scheinen nicht mehr darauf zu achten, wie weit eine Aktie vor Veröffentlichung der Geschäftszahlen bereits gestiegen ist. Kursverläufe und fundamentale Bewertungskennzahlen werden offenbar völlig außer Acht gelassen. Und das muss man mit großer Skepsis beobachten.
Denn Anleger schauen aktuell auch nicht mehr so genau hin, sie haben einen „Tunnelblick“ und sehen damit nur noch das Positive und übersehen oder ignorieren das Negative.
Positiv: Tesla schlägt die Erwartungen
Bleiben wir bei Tesla. Analysten hatten im Durchschnitt einen Umsatz von deutlich weniger als 6 Milliarden Dollar erwartet. Tatsächlich lag dieser aber bei 6,04 Milliarden Dollar. Hier wurden die Erwartungen also geschlagen.
Das gilt auch für den Gewinn. Unter dem Strich stand für April bis Juni ein Plus von 104 Millionen Dollar. Pro Aktie macht das 0,50 Dollar. Die durchschnittlichen Erwartungen lagen bei weniger als der Hälfte. Für die Anleger Grund genug, die Aktie weiter nach oben zu treiben.
Negativ: Tesla nur durch Einmaleffekte profitabel
Doch es gab einige Haken. So ist der Umsatz von Tesla im 2. Quartal um 5 % gesunken (!), von zuvor 6,35 Milliarden Dollar. Und man sollte wissen, dass ein Unternehmen in den S&P 500 aufgenommen werden kann, wenn es in vier aufeinanderfolgenden Quartalen jeweils einen Gewinn erzielen konnte. Das ist Teslamit seinem jüngsten Geschäftsbericht gelungen. Doch hier wurden sehr wahrscheinlich ganz bewusst alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um dieses Ziel zu erreichen.
Einerseits profitierte Tesla von vorübergehenden Lohnkürzungen während eines coronavirusbedingten Produktionsstopps. Zudem stiegen Erlöse aus Ausgleichszahlungen, die andere Autobauer dafür zahlen, dass ihre Autos mehr Emissionen verursachen, um 21 % auf 428 Millionen Dollar. Und dann hat Tesladurch den Verkauf von regulatorischen Steuergutschriften 420 Millionen Dollar erzielt. Rechnet man nur letztere heraus, dann war das Unternehmen schon nicht mehr profitabel.
Extrem hohes KGV bei Tesla
Und selbst wenn Tesla weiterhin 0,50 Dollar pro Quartal verdienen kann – bei einem aktuellen Aktienkurs von rund 1.700 USD errechnet sich dann ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 850. Geht man von stark steigenden Gewinnen und einer Verdopplung aus, so läge das KGV immer noch bei über 400.
Doch den Anlegern ist dies völlig egal. Sie kaufen die Aktien, als gäbe es kein Morgen mehr. Alleine seit Jahresbeginn hat sich der Aktienkurs vervierfacht. – Wie gesagt: Bisheriger Kursverlauf und fundamentale Bewertungskennzahlen werden offenbar völlig außer Acht gelassen.
Twitter-Aktien steigen trotz Milliardenverlust
Das gilt unter anderem auch für Twitter. Das Unternehmen hat gemeldet, dass die Zahl der aktiven Nutzer pro Tag um 34 % auf 186 Millionen in die Höhe geschossen ist – das ist der höchste Zuwachs in einem Quartal. Analysten hatten hier „nur“ mit einem Anstieg auf 176 Millionen gerechnet. Auch hier wieder: Erwartungen geschlagen = rein in die Aktie.
Da wird gerne ignoriert, dass das Unternehmen bereits mehr als 26 Milliarden Dollar an der Börse wiegt. Und das, obwohl dem Kurznachrichtendienst gesunkene Werbeeinnahmen infolge der Corona-Krise im 2. Quartal einen Verlust eingebrockt haben.
Bei einem Umsatzrückgang um 19 % (!) auf 683 Millionen Dollar fiel bereinigt ein Minus von 127 Millionen Dollar an, teilte der Konzern heute mit. Nach Steuern lag das Minus wegen steuerlichen Sondereffekten im Zusammenhang mit Aktivitäten in Irland sogar bei 1,2 Milliarden Dollar (!).
Steigende Arbeitslosen-Anträge trüben die Stimmung
Doch es gibt offenbar noch Meldungen, welche die Stimmung am Aktienmarkt trüben können. Um 14:30 Uhr (MESZ) wurde in den USA die Zahl der wöchentlichen Anträge auf staatliche Arbeitslosenhilfe veröffentlicht. Und diese ist erstmals seit vier Monaten wieder gestiegen. Vorige Woche stellten 1,416 Millionen US-Bürger einen entsprechenden Erstantrag, 109.000 mehr als in der Vorwoche. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit 1,3 Millionen gerechnet
Das drückte deutlich auf die Aktienkurse. Der Dow Jones-Future verlor zum Beispiel mehr als 200 Punkte. Mit -0,9 % hält sich der Rücksetzer bislang noch in Grenzen. Doch die Kursreaktion ist ein erstes Anzeichen dafür, dass die Anleger auf schlechtere Wirtschaftsdaten doch noch allergisch reagieren können. Und es ist sehr gut möglich, dass die Erholung der Konjunktur(daten) ins Stocken gerät.
Hilfsmaßnahmen laufen aus
So ist der Anstieg der Erstanträge schon ein erstes Indiz dafür, dass sich in den USA der aktuelle Anstieg der Neuinfektionen am Arbeitsmarkt negativ bemerkbar macht. Und wie wir heute bereits den Lesern des Premium-Trader berichteten, verdienen aktuell noch 70 % der Menschen, die in den USA zurzeit Arbeitslosenhilfe beziehen, durch eine temporäre Erhöhung der Sozialleistung mehr als in ihren zuvor verlorenen Jobs.
Diese zusätzlichen Hilfen laufen jedoch, Stand heute, Ende des Monats aus. Bleibt es dabei, könnte dies den zuletzt überraschend hohen Einzelhandelsumsätzen (siehe Börse-Intern vom 16. Juni) einen Dämpfer verpassen und zu einer gebremsten Erholung auch bei den weiteren Wirtschaftsdaten führen.
Hinzu kommt, dass in den USA, ähnlich wie hierzulande, Tilgungsleistungen für Kredite (Kreditkarten, Autokredite, Hypotheken) temporär ausgesetzt werden konnten. Doch diese Stundung der Raten-Zahlungen läuft ebenfalls aus. Republikaner und Demokraten verhandeln derzeit über neue Hilfen. Aber eine Einigung ist noch nicht in Sicht.
Und wenn es dabei bleibt, besteht die Gefahr, dass einige Kreditnehmer die Forderungen der Gläubiger nicht bedienen werden, womöglich weil sie in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind.
Viele Probleme wurden nur aufgeschoben
Mit anderen Worten: Die Hilfestellungen der Regierungen haben einige Probleme der aktuellen Krise lediglich in die Zukunft verlagert. Doch diese Zukunft beginnt nun langsam. Und so könnte es, in den USA insbesondere ohne Einigung der Republikaner und Demokraten, zu Kreditausfällen und Pleitewellen kommen, die sich belastend auf die Wirtschaft und die Wirtschaftsdaten auswirken.
Ich bleibe daher skeptisch für die Aktienmärkte, auch weil es jüngst wieder neue klare Anzeichen für eine deutliche Übertreibung bei Technologieaktien gibt, über die wir in der heutigen Wochenausgabe des Premium-Trader ebenfalls berichtet haben. (Mit einem kostenlosen Probe-Abo haben Sie Zugriff auf das Archiv und die Wochenausgabe.)
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