Die Lage bei den internationalen Logistik-Ketten verschärft sich dramatisch. Besonders vor dem Hafen von Shanghai stauen sich Hunderte Schiffe. Global bewgen sich 12% der per Schiff transportierten Güter derzeit nicht.
Chinas Pandemie-Politik und der Ukrainekrieg bedrohen erneut die globalen Lieferketten und könnten erhebliche konjunkturelle Auswirkungen haben. Der Anteil der Güter auf Schiffen, die sich aktuell nicht bewegen, liegt mit knapp zwölf Prozent schon jetzt fast so hoch wie zu Spitzenzeiten 2021, zeigen Daten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), die dem Handelsblatt vorliegen. Einberechnet werden lediglich Frachtschiffe, die aktuell nicht an Häfen abgefertigt werden. Der Großteil der betroffenen Schiffe staut sich demnach vor den Häfen.
Experten sehen das vor allem als Folge der rigiden Pandemie-Politik Chinas, so wie es schon 2021 war. Geschlossene Häfen in China hatten zu Engpässen und Überlastungen im Schiffsverkehr geführt. Der Spitzenwert für die Güter auf stehenden Schiffen jenseits von Häfen lag damals bei rund 14 Prozent. Zur aktuellen Situation sagte IfW-Projektleiter Vincent Stamer: „Sollten wieder diverse Lieferketten aufgrund Chinas Covid-Politik zusammenbrechen, wäre der Schäden für die Weltwirtschaft erheblich.“
Auswertungen des IfW der Schiffsbewegungen an den chinesischen Häfen zeigen zudem, dass die Exporte aus dem Hafen von Shanghai in den vergangenen Tagen eingebrochen sind und etwa 30 Prozent unter der Entwicklung anderer Häfen Chinas liegen. Aufgrund von hohen Corona-Infektionswellen wurde Shanghai Ende März weitgehend abgeriegelt.
Das spanische Finanzdienstleistungsunternehmen BBVA geht davon aus, dass die chinesischen Behörden an der "Null-COVID"-Strategie und den Abriegelungen bis mindestens Juni festhalten werden. Andere China-Beobachter meinen, dass es sogar noch länger dauern könnte, bis der chinesische Infektionsstandard erreicht ist.
Shanghai ist eines der größten Produktionszentren Chinas mit einer hohen Konzentration von Automobil- und Elektronikzulieferern. Die Stadt beherbergt den größten Containerhafen der Welt und einen großen Flughafen, der für ein- und ausgehende Luftfracht genutzt wird. Dem BBVA-Bericht zufolge machen die in Schanghai produzierten Exporte 7,2 % des Gesamtvolumens Chinas aus, und etwa 20 % des chinesischen Exportcontainerumschlags werden über den dortigen Hafen abgewickelt.
Die meisten Lager und Fabriken sind geschlossen, neun von zehn Lastwagen stehen still, der Hafen und der Flughafen sind nur eingeschränkt funktionsfähig, die Transporteinheiten sind an den falschen Stellen gestrandet, und die Fracht stapelt sich.
Die Auswirkungen auf die Logistik gehen immer mehr über das Epizentrum Shanghais hinaus. Die Verspätungen in der Seeschifffahrt von den drei wichtigsten chinesischen Häfen nach Hamburg, Deutschland und Amsterdam hatten sich im ersten Quartal bereits auf mehr als 12 Tage verdoppelt, bevor die Abriegelung Shanghais voll zum Tragen kam.
Seefrachtexperte Lars Jensen, CEO von Vespucci Maritime, fasste die Situation auf seiner LinkedIn-Seite wie folgt zusammen: "Solange diese Situation nicht gelöst ist - was nahezu unmöglich erscheint, wenn man die Omicron-Variante mit der Null-Toleranz-Variante vergleicht - sollten wir in naher Zukunft mit einem Rückgang der Exportnachfrage, Hafenausfällen und mehr Leerfahrten rechnen sowie damit, dass nach Shanghai gehende Fracht zunehmend anderswo gelöscht wird."
Look at the commercial ships currently waiting offshore in China. They are just trying to exacerbate global supply chain. pic.twitter.com/GmmtCWvFSJ
— Asaad Sam Hanna (@AsaadHannaa) April 19, 2022