In der wundersamen Welt der politischen Sprache gibt es Begriffe, die uns in Sicherheit wiegen sollen, während sie in Wahrheit das Gegenteil bedeuten. Einer dieser Begriffe ist das "Sondervermögen".
Von Meinrad Müller
"Sondervermögen" - klingt doch herrlich, oder? Fast so, als hätte der Staat plötzlich eine große Schatztruhe entdeckt, gefüllt mit Goldmünzen und Edelsteinen. Doch die bittere Wahrheit ist: Es handelt sich schlicht und einfach um neue Schulden. Man könnte es also auch "Sonderverbindlichkeiten" oder "Sonderschulden" nennen. Aber das klingt natürlich weniger nach finanzpolitischer Zauberkunst und mehr nach ernüchternder Realität.
1984 lässt grüßen: Schulden sind Sondervermögen, Krieg ist Frieden
George Orwell hat es vorausgesehen: Sprache formt Realität. "Krieg ist Frieden", "Freiheit ist Sklaverei", "Unwissenheit ist Stärke" – und nun auch "Schulden sind Vermögen". Der Begriff "Sondervermögen" ist nichts anderes als eine moderne Version des Neusprechs. In der Welt von Orwell wurden Begriffe bewusst ins Gegenteil verkehrt, um die Kontrolle über das Denken der Menschen zu behalten. Und genau das geschieht heute mit der Finanzpolitik. Es ist nicht mehr nötig, die Bürger über neue Schulden zu informieren – man verkauft sie einfach als kluges Finanzmanagement.
Der Clou: Ein Wort macht den Unterschied
Früher nannte man es einfach "Kreditaufnahme" oder "Neuverschuldung". Aber diese Begriffe haben so etwas Drückendes an sich. Also wurde aus der schnöden Verschuldung einfach ein "Sondervermögen". Wäre es nicht schön, wenn auch Privatpersonen diesen Trick anwenden könnten? Statt eines Kredits bei der Bank hätte man plötzlich ein "Sondervermögen für existenzielle Anschaffungen". Die Bankberater würden jubeln!
Warum nicht Sonderschulen?
Wenn wir in diesem Wortspiel schon einmal angekommen sind, dann stellt sich die Frage: Warum gibt es kein "Sondervermögen für Bildung"? Ach ja, Bildung bringt keine kurzfristigen Wahlerfolge. Vielleicht sollte man Schulen in "Sondervermögen der Zukunft" umbenennen, dann klappt es auch mit der Finanzierung. Denn seien wir ehrlich: In der Prioritätenliste der Politik scheint Bildung immer irgendwo zwischen "Kann warten" und "Zu teuer" zu stehen.
Schöne neue Finanzwelt
Mit genug Kreativität kann man Schulden in Vermögen verwandeln, Defizite als Erfolge verkaufen und das Haushaltsloch mit sprachlichen Luftnummern stopfen. Bleibt nur die Frage: Wann wird aus unserem Rentenloch endlich ein "Sondervermögen für Generationengerechtigkeit"? Vielleicht sollten wir uns einfach zurücklehnen und darauf warten. Oder noch besser: einen Sonderhaushalt für kritisches Denken fordern!