Der Bitcoin-Hype ist ungebrochen. Die Krypto-Währung bricht alle Rekorde. Werden digitale Währungen das Geldsystem ersetzen oder ist es eine Blase, gar Betrug?
Bitcoin in Dollar 12 Monate:
Von Sascha Opel
Was ist ein Bitcoin?
Bitcoins sind digitale „Münzen“, die in komplizierten Rechenprozessen erzeugt werden. Ähnlich wie beim Goldabbau spricht man daher von „Mining“ und diejenigen, die die Rechnerleistung bereitstellen, sind „Miners“, also die „Bergleute“, die das „digitale Gold schürfen“.
Sie sehen: Die komplette Begriffswelt ist nicht zufällig Rohstoff– und Bergbauaffin. Um einen Bitcoin zu „minen“, ist Zeit und hohe Rechenleistung notwendig, wodurch Inflation und ein zu schnelles Erreichen der auf 21 Millionen Stücke begrenzten Ausgabe verhindert werden soll. An Börsen im Internet werden die Bitcoins gegen klassische Währungen gehandelt. In Deutschland ist die bekannteste Plattform Bitcoin.de.
Alternatives Geldsystem
Mit Kryptowährungen wie Bitcoin soll ein Geldsystem ermöglicht werden, das unabhängig von Staaten und Banken funktioniert, sowie Transaktionen beschleunigt und Kosten minimiert. Laut Bundesbank werden auf der ganzen Welt derzeit circa 350.000 Transaktionen mit Bitcoins als Zahlungs– oder Tauschmittel absolviert. Im Vergleich zu 77 Millionen Überweisungen und Lastschriften täglich alleine in Deutschland, ist dies noch ein verschwindet geringer Anteil. Aber genau darin, dass dieses Transaktionsvolumen exponentiell anwachsen kann und damit auch die Nachfrage nach Bitcoins explodiert, liegt natürlich auch die Fantasie.
Blockchaintechnologie
Hinzu kommt: Die dahinterliegende Blockchaintechnologie hat das Potenzial, nicht nur die Finanzindustrie radikal zu verändern, sondern viele andere Bereiche ebenfalls. So können die Gebühren von Finanztransaktionen deutlich abgesenkt werden. Sind für eine Auslandsüberweisung bislang oft hohe Gebühren fällig, liegt diese bei Bitcoins im Centbereich und die Transaktion dauert im Vergleich zur herkömmlichen Überweisung nur ein paar Minuten.
Noch wichtiger als der Kostenvorteil ist unserer Meinung nach jedoch, dass die Digitalwährung „peer-to-peer“ gehandelt wird, also direkt zwischen den Nutzern, und somit das komplette Bankensystem mit Zwischenstellen (z.B. Swift und andere Clearingstellen) ausgeschaltet wird.
Innerhalb der Blockchain werden alle Transaktionen vielfach und dezentral – und damit dauerhaft nachvollziehbar – abgespeichert. Die Informationen einer Blockchain werden transparent und auf viele Computer verteilt gespeichert. Dadurch könnten sie nur mit enormem technischen Aufwand manipuliert werden und sind daher sicherer als herkömmliche Transaktionen (bei der sich zum Beispiel Hacker leichter Zugang zu Kontodaten beschaffen können).
Vorteile
Diese Vorteile wiederum könnten alle möglichen Geschäftsabschlüsse, für die bislang eine Zwischeninstanz notwendig ist, revolutionieren. Zum Beispiel könnten Grundstücke, Geschäftsanteile und andere Verträge, die zwischen zwei Menschen geschlossen werden, in Zukunft ohne Mittler (wie Notar) übertragen werden. Wie auch beim physischen Besitz von Gold, ist man mit Bitcoins außerhalb der staatlichen Aufsicht und außerhalb des Bankensystems.
Das typische Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ist ausgeschaltet. Geht eine Bank pleite, ist womöglich ihr Guthaben bis zur Sicherungssumme von 100.000 Euro weg. Bitcoins dagegen bewahrt man in der persönlichen, digitalen „Wallet“ auf und sind daher mit dem Besitz von physischem Gold vergleichbar.
Entnationalisierung des Geldes
Als geistiger Vater der Kryptowährungen kann Friedrich August von Hayek, den die Freunde der Österreichischen Schule gut kennen dürften, angesehen werden, der einst die „Entnationalisierung des Geldes“, für eine Geldschöpfung außerhalb der Notenbanken, einforderte. Somit sollte die stetige Geldentwertung durch Vermehrung der Geldmenge gestoppt und die Ausgaben des Staates begrenzt werden.
Da Kryptowährungen jedoch nicht an Gold, Silber oder ein anderes Edelmetall gekoppelt sind (wie es Hayek bei „guten Währungen“ in seiner Theorie fordert) und natürlich auch keine Zentralbank über die Bitcoinmenge wacht, müssen sie mit einem anderen Mechanismus Inflation verhindern.
Obergrenze: 21 Millionen
Mittel der Wahl ist bei fast allen Kryptowährungen (und natürlich auch beim Bitcoin) eine absolute, im Algorithmus verankerte Obergrenze. Beim Bitcoin liegt diese bei 21 Millionen Stück, die früher oder später erreicht werden. Wann diese Obergrenze erreicht ist, hängt davon ab, wieviel Rechenleistung in Zukunft in das Produzieren neuer Münzen gesteckt wird.
Schätzungen variieren bis zum Jahr 2.130 bis alle 21 Millionen Bitcoins erschaffen wurden. Aktuell sind gut 13 Millionen Bitcoins „abgebaut“ worden. Allerdings muss man wissen, dass viele Bitcoins der ersten Jahre unwiderruflich verschwunden sind, da diese einfach verloren wurden. Wenn die Bitcoins nicht in einer Wallet gesichert waren, sondern nur auf einem Rechner lagen, dieser dann kaputt ging, waren die Bitcoins eben weg. Als diese nur ein paar Euro oder gar Cent wert waren, hat dies sicher kaum weh getan. Umso mehr dürften sich diese alten „Miner“ heute in den Allerwertesten beißen.
Krypto-Konkurrenz
Eines ist relativ klar: Sollte sich Bitcoin als (zusätzliches) Zahlungs– und/oder Wertaufbewahrungsmittel durchsetzen, kann die digitale Geldmenge nicht mit dem Wirtschaftswachstum Schritt halten. Der Bitcoin wird damit seltener und tendenziell teurer. Es ist allerdings nicht prognostizierbar, wohin der Preis steigen wird. Zwar ist die Bitcoinmenge begrenzt, aber es schießen derzeit immer neue Kryptowährungen aus dem Boden.
Die Menge an diversen Kryptowährungen selbst ist unbegrenzt und liegt laut Coinmarketcap.com nun bei unglaublichen 1.107 Stück! Hier kommen wöchentlich neue Kryptowährungen dazu. Doch irgendwann wird sich herauskristallisieren, welche Digitalwährungen von Dauer sein werden. Sehr wahrscheinlich wird Bitcoin als Marktführer zu den Überlebenden gehören.
Die Zwangsverknappung führt unserer Einschätzung nach dazu, dass sich Bitcoins zunächst eher als Wertaufbewahrungsmittel und weniger als Zahlungsmittel durchsetzen werden. Nicht umsonst spricht man schon vom „Gold des digitalen Zeitalters“. Aber noch sind solche Prognosen und Einschätzungen wohl zu früh. Vielleicht setzt sich auch der neue Bitcoin-Cash als Zahlungsmittel durch und die ursprünglichen Bitcoins dienen eher der Wertaufbewahrung. Oder es kommt nochmals eine komplett neue Kryptowährung, die den bereits etablierten (wie Bitcoin, Ethereum oder die für den Zahlungsverkehr unter Banken gegründeten Ripple) den Rang abläuft.
Einen guten Überblick über alle Kryptos findet man unter https://coinmarketcap.com/.
Dort sieht man, dass der Wert aller Bitcoins aktuell circa 69 Milliarden USD beträgt, der von Ethereum 27,5 Mrd. USD und der von Bitcoin Cash als Nummer drei immerhin 8,7 Mrd. USD.
Dass die Kryptowährungen schnell wieder verschwinden, halten wir dagegen für beinahe ausgeschlossen. Zu viele revolutionäre Vorteile verbinden sich mit der Idee und der Technologie. Zudem ist es eindeutig die erste echte Währung der „Generation Internet“. Von den 14 bis 29-jährigen haben 51% schon einmal von Bitcoins gelesen oder gehört, bei den 30 bis 49-jährigen sind es 47%. Von den über 65-jährigen dagegen sind es nur 12%.
Warum steigt der Bitcoin jetzt?
Die Rekordrally beim Bitcoin vollzieht sich trotz großer Kritik aus der Finanzcommunity: so sagte US Ökonom Kenneth Rogoff gestern, der Bitcoin sei die größte Blase der Welt und nichts anderes als Betrug. Auch die Medien berichten - wie könnte es anders sein - meist negativ.
Was sind die Ursachen für den beispiellosen Anstieg des Bitcoins? In der Community spricht man darüber, dass es demnächst zwei neue Kunstwährungen geben soll, die aus dem Bitcoin hervorgehen (Forks). Und da will jeder mit dabei sein. Das ist der Grund warum man aus anderen Krypto-Währungen aussteigt und in den Bitcoin hinein geht.
Geplant sind zwei sogenannte Hard Forks:
Bitcoin Gold soll am 25. Oktober entstehen.
SegWit2x ist für November geplant.
Die neuen Kunstwährungen sollen die Nachteile des Bitcoin ausbügeln, denn dieser stößt mehr und mehr an seine Grenzen.
Wie Wildwestzeiten des Neuen Marktes
Allerdings gibt es auch einige Nachteile bzw. erste extreme Begleiterscheinungen, die zu Denken geben sollten. So gab es in den letzten Monaten etliche ICO‘s. ICO steht für „Initial Coin Offering“. Dabei sammeln Unternehmen Geld für Projekte ein, häufig in Form von Ethereum oder Bitcoin. Im Gegenzug erhalten die Investoren Token (Anteile am digitalen Unternehmen; analog Aktien bei AGs).
Manchmal handelt es sich bei den Unternehmen um DAOs. DAO steht dabei für „Digitale autonome Organisation“. Das Unternehmen existiert nur virtuell, und die „Eigentümer“ lenken es durch elektronische Entscheidungsprozesse. Nun gab es zwei ICO, die bereits einen Marktwert von über 1 Milliarde USD erreichten, die jedoch noch nicht einmal eine Geschäftsidee haben, wie man einmal Geld verdienen will.
Das Ganze erinnert an die Wildwestzeiten des Neuen Marktes Ende der 90er Jahre. Am Neuen Markt musste man Investoren aber wenigstens noch ein Geschäftsmodell zeigen (oder das Blaue vom Himmel versprechen), damit sie in Euphorie verfielen. Bei den ICOs gibt es weder eine Aufsicht, noch einen Wertpapierprospekt oder sonstige Regularien. Dem Betrug ist damit Tür und Tor geöffnet und wir raten von ICOs ab.
Problem: Extreme Volatilitäten
Ein weiterer Nachteil von Kryptowährungen ist die hohe Volatilität. Wer jetzt bei Bitcoin einsteigt, muss mit starken Rückschlägen rechnen, oder diese einkalkulieren. Als Bitcoin zum ersten Mal Ende 2013 die 1.000 USD-Marke erreichte, ging es danach bis Mitte 2015 zum Beispiel bis 220 USD wieder in den Keller. Kaufte man zum damals ungünstigsten Zeitpunkt bei 1.000 USD war man also nach 18 Monaten knapp 80% im Verlust. Viele Anleger haben ganz einfach nicht die Nerven, um solche Schwankungen auszuhalten.
Droht Verbot?
Ein weiteres Problem, was bei hoher Akzeptanz zunehmen dürfte: Bitcoins stehen im Fokus der Aufsichtsbehörden. Die Digitalwährung sei wegen schwer nachvollziehbaren Zahlungswegen auch für kriminelle Zwecke verwendbar (was natürlich mit normalen Währungen auch der Fall ist).
Die Bundesbank hatte jüngst Sparer vor Geldanlagen in der Digitalwährung gewarnt. Der Bitcoin sei „ein Spekulationsobjekt“, dessen Wert sich rapide verändere, sagte Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele. „Aus unserer Sicht ist der Bitcoin kein geeignetes Medium, um Werte aufzubewahren.“ Zudem gibt es auch beim Bitcoin keine hundertprozentige Aufbewahrungssicherheit.
Nun ja, was soll der gute Mann auch anderes sagen. Jede Form von Geld, die nicht der EZB oder Bundesbank untersteht, muss für ihn von Berufswegen suspekt und unseriös sein. Noch drastischere Worte fand JP Morgan-CEO Jamie Dimon auf CNBC, der Bitcoins mit der mittelalterlichen Tulpenmanie verglich und als „großen Betrug“ darstellte. Seine Tochter habe Bitcoins gekauft und jetzt wo diese steigen, glaube diese, sie sei ein Genie.
Dieser Punkt ist zweifelsohne nicht von der Hand zu weisen. Viele (junge) Spekulanten machen mit Bitcoins das erste Mal ihre Börsenerfahrung und können sich nicht vorstellen, dass diese zum Beispiel auch 90 oder 95% einbrechen könnten.
Weiterer Nachteil: So wie Gold oder Bargeld aus dem Tresor gestohlen werden kann, können auch Bitcoins entwendet oder verloren gehen. Anleger, die Ihre Bitcoins bei den großen Tauschbörsen MtCox oder Bitfinex gelagert hatten (und nicht in persönlichen Wallets), wurden zum Beispiel bereits Opfer von Hackerangriffen.
Deutsche Bank will eigene Digitalwährung
In Zeiten von Mini-Zinsen und wachsendem Kostendruck schließen sich der "Financial Times" zufolge vier der weltweit größten Banken zusammen, um ein neues digitales Zahlungsmittel zu entwickeln. Das Vorbild: die Kryptowährung Bitcoin. Ziel ist es, Transaktionen zu verbilligen und so viel Geld zu sparen.
Die Schweizer UBS habe sich hierzu mit der Deutschen Bank, der spanischen Santander und dem US-Institut BNY Mellon verbündet, hieß es in dem Bericht.
Fazit und hypothetischer Blick in die Zukunft:
Es gibt bei Kryptowährungen wie dem Bitcoin Nachteile, die mit herkömmlichen Aufbewahrungsproblematiken beim Gold und beim Bargeld zu vergleichen sind (nur, dass Gold wesentlich mehr „physischen Speicherplatz“ (Safe) benötigt als eine digitale Kryptowährung, die nur einen Speicher auf einem PC, einem Laptop oder USB-Stick benötigt). Logisch: Eines Tages mit einer Kiste voller Gold und Silber zu flüchten, dürfte wesentlich „schwerer“ sein, als ein USB-Stick mit Bitcoins.
Insgesamt überwiegen die Vorteile einer möglichen Kryptowährung, unter dem Vorbehalt, dass diese sich am Markt tatsächlich als Wertaufbewahrungs– und Zahlungsmittel durchsetzen könnte. Womöglich wird es der bisherige Marktführer Bitcoin.
Wenn man so will, lotet der Markt aktuell einen Wert aus, den diese Vorteile (beschleunigte Transaktionen, kein Zwischenhändler, Ausschalten des Bankensystems) des Bitcoin mit sich bringen. Kann sich der Bitcoinpreis nochmals Verzehnfachen? Vorstellbar ist es. Dann wäre der Wert aller Bitcoins, also die „Marktkapitalisierung“, bei 669 Milliarden USD. Dies wäre immer noch weniger als die von Apple mit aktuell 834 Milliarden USD. Für ein potenzielles globales Zahlungsmittel und erst recht als Wertspeicher ziemlich wenig.
Zum Vergleich: Das World Gold Council beziffert alles Gold, was im Umlauf ist, auf 177.000 Tonnen, die einen Wert von circa 5 Billionen Euro (5.000 Milliarden Euro) entsprechen. Dies ist mehr als das Fünffache der Apple-Bewertung. Würde der Bitcoin beispielsweise in den nächsten 100 Jahren diese Akzeptanz und globale Bewertung von Gold erfahren, würde der Bitcoinkurs bei 238.000 USD notieren. So weit, so gut.
Es kann aber auch ganz anders kommen und die Notenbanken weltweit schließen sich eines Tages zusammen und erkennen in Kryptowährungen ihren natürlichen Feind (wie sie es auch schon beim Gold getan haben). Dann wäre auch ein Handelsverbot, oder gar Besitzverbot denkbar.
Bitcoins könnten dann, wie beim Goldverbot ab 1933 in den USA, nur noch auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden und wer Bitcoins irgendwo „illegal“ besitzt, ist automatisch ein „Verbrecher“. Genau wie man heute bei der Einreise in ein Land deklarieren muss, ob man Bargeld oder Gold im Wert von 10.000 Euro oder mehr mitführt, könnte auch die Frage auftauchen, ob man Wallets mit Bitcoins oder anderen digitalen Währungen mitführt, oder diese besitzt. Wie es auch kommt, eines ist klar:
Die Zukunft des Geldes hat begonnen. Und sie bleibt und wird noch extrem spannend!
Bitcoins kaufen in Deutschland: Bitcoin.de
Die Bitcoin-Welt - Einblicke mit Jörg Molt & Jo Conrad| 29.7.2017