Die Börsen haben die schlimmste Woche seit Oktober 2008 hinter sich. Die Kurse krachten - wie heute - aus heiterem Himmel. Damals war es der Verbote der Finanzkrise. Und heute?
Börsen-Zeitung: "Das große Zittern", Kommentar zum Aktienmarkt von Christopher Kalbhenn
Schon seit geraumer Zeit geht bei Investoren die Furcht um, dass der fast neun Jahre alte Bullenmarkt nicht mehr allzu weit von seinem Ende entfernt ist und eine Baisse folgen könnte. Relativ hohe Bewertungen, die geldpolitische Wende, steigende Bondrenditen sowie leicht anziehende Inflationsraten schürten diese latenten Sorgen. Mit den aus heiterem Himmel einsetzenden heftigen Kursturbulenzen hat nun das große Zittern eingesetzt.
Ob es sich um eine vorübergehende Korrektur handelt, die Einstiegsgelegenheiten bietet, oder ob eine nachhaltigere Abwärtsbewegung begonnen hat, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Immerhin lässt sich ein Anlass für den globalen Kurseinbruch identifizieren.
Im Januar sind die Lohnstückkosten in den USA überraschend stark um 2,9 Prozent im Vorjahresvergleich und damit so stark wie seit zuletzt 2009 gestiegen. Das sorgt für Befürchtungen über einen lohninduzierten Inflationsschub und damit einen beschleunigten Schwenk der Zentralbanken hin zu einer restriktiveren Geldpolitik, mit deutlicher steigenden Zinsen als Folge.
Und das Phänomen ist nicht auf die Vereinigten Staaten begrenzt, wie der Tarifabschluss für die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie mit einer Lohnerhöhung von 4,3 Prozent zeigt.
Hinzu kommen weitere Gründe. Zuletzt war die Stimmung der Anleger doch recht optimistisch geworden. Viele von ihnen hatten lange gezögert, um im ersten Monat des Jahres zu Aktien zu greifen. Die weltweiten Nettomittelzuflüsse der Aktienfonds erreichten noch nie gesehene Höhen.
Letztlich hat der Markt das derzeit recht positive realwirtschaftliche Bild eingepreist - vielleicht mehr als das. Darüber hinaus zeigte der Flash Crash in New York am Montag erneut die vom automatisierten Handel ausgehenden Risiken auf, die durch extrem niedrige Volatilität etwas in Vergessenheit geraten waren.
Festzuhalten bleibt aber, dass der heftige Einbruch in klarem Widerspruch zu den sich immer noch verbessernden Perspektiven für das Wachstum und die Unternehmensgewinne steht. Trüben sich diese nicht ein, sollten sie sich letztlich als Stütze erweisen.
Allerdings muss die Lohnkostenentwicklung genau unter Beobachtung gehalten werden. Steigende Löhne bedeuten nämlich nicht nur potenziell steigende Inflationsraten und Zinsen. Da die Unternehmen sie nur bedingt eins zu eins an die Kunden und Abnehmer weiterreichen können, stehen auch die sich auf sehr hohen Niveaus befindenden Margen und damit die Gewinnentwicklung auf dem Spiel.