Zehn Jahre nach der Finanzkrise liefen Börse und Wirtschaft zu gut um wahr zu sein. Neigt sich der Aufschwungzyklus dem Ende? Die Emerging Markets und insbesondere die Türkei könnten Vorboten einer neuen Krise sein.
Börsen-Zeitung: "Vorboten einer Rezession", Marktkommentar von Kai Johannsen
Steuert die Weltwirtschaft womöglich auf die nächste Rezession zu? Diese Frage beschäftigt derzeit die Akteure an den internationalen Bondmärkten. Grund für einen konjunkturellen Einbruch könnte ein eskalierender US-Handelsstreit mit China und anderen Ländern sein. Hinzu kommt die Gefahr, die in den Schwellenländern schlummert.
Ausgehend von der Türkei, deren Währung in diesem Jahr heftig unter die Räder gekommen ist, könnten Anleger ihre Gelder eben nicht nur aus der Türkei, sondern auch aus anderen Schwellenländern abziehen. Das könnte auf den Devisenmärkten weitere heftige Turbulenzen nach sich ziehen.
Außerdem könnten die Länder angesichts ihrer unter Druck geratenen Währungen Schwierigkeiten bei der Bedienung ihrer Verbindlichkeiten in Währungen wie Dollar oder Euro bekommen. Ein Zahlungsausfall eines Landes würde heftige Schockwellen senden. Ein kollektiver Nachfragerückgang der Emerging Markets würde einer schwächelnden Konjunktur einen weiteren Dämpfer verpassen.
Die Renditestrukturkurven rund um den Globus senden derzeit recht klare Signale, in welche Richtung sich die weltweite Konjunktur bewegen könnte. Und genau das gibt Anlass zur Sorge. Im Blick haben die Marktteilnehmer dabei zuerst immer die US-Renditekurve. Es ist hinlänglich bekannt, dass sich die US-Renditekurve immer weiter verflacht. In den vergangenen Tagen ging der Zinsabstand zwischen den zwei- und zehnjährigen Papieren der USA auf unter 20 Basispunkte (BP) zurück. Das ist der geringste Wert seit mehr als einer Dekade.
In der Lesart der Märkte deutet eine flacher werdende Kurve eine Verlangsamung der konjunkturellen Aktivität an. Invertiert die Kurve, d.h. liegen die längerfristigen (zehnjährigen) Marktzinssätze unter den kurzfristigen (zweijährigen) Anleiherenditen, ist das ein Zeichen für eine Rezession der Wirtschaft. "In der Vergangenheit war eine invertierende Kurve ein sehr verlässliches Signal für eine mit zeitlicher Verzögerung einsetzende Rezession", sagt Michael Leister, Zinsstratege bei der Commerzbank.
Leister gibt in diesem Zusammenhang aber zu bedenken, dass das Quantitative Easing der Zentralbanken rund um den Globus deutlich spürbare Effekte auf die Zinskurven gezeigt hat. Am kurzen Laufzeitenende seien die Zinsen zudem auch durch die Forward Guidance der Zentralbanken sehr stark verankert gewesen.
Am japanischen Markt wird Leister zufolge die Aussagekraft noch dadurch eingeschränkt, dass die Notenbank dort auch das lange Marktende direkt steuert.
Leister weist aber zudem darauf hin, dass nicht nur die US-Kurve deutlich flacher geworden ist. Das ist beispielsweise auch in der Eurozone bei der Kurve der Bundesanleihen der Fall. Kurvenverflachungen in diesem Jahr und über den Zeitraum dieses Jahres hinaus gab es zudem in weiteren Ländern. Dazu gehört etwa Kanada, und ebenfalls in Neuseeland hat sich der Abstand zwischen den kurz- und langfristigen Zinsen verringert.
In Europa ist das gleiche Phänomen außerhalb der Eurozone in Großbritannien zu beobachten. Auch dort ist die Kurve flacher geworden. Das ist also für die wichtigen großen Märkte ein klarer Trend, der sich derzeit nicht umzukehren scheint.
Viele Marktakteure leiten aus diesem fast schon synchronen Verlauf der Zinsstrukturkurven verschiedener Länder nun ab, dass die globale Wirtschaft auf eine Schwächephase zusteuern wird. Es wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die erste Kurve invertiert. Und das wird aller Voraussicht nach die US-Kurve sein, die sich schon sehr nah an der Nulllinie bewegt.
Geht es in der Geschwindigkeit der vergangenen Monate weiter, sollte die US-Kurve im zwei- bis zehnjährigen Laufzeitenbereich im Oktober an der Nulllinie und damit vor der Inversion stehen.