Im Oktober verloren die Aktienmärkte weltweit rund 8 Billionen Dollar. Es ist der schlimmste Oktober seit der Finanzkrise 2008. Ist die Party vorbei? Rückt der finale Crash näher?
Schocktober Fakten:
- Nasdaq 100 schlechtester Monat seit Oktober 2008
- S & P schlechtester Monat seit Februar 2009
- Die Aktien von FANG brachen im Oktober um 21% ein - der größte monatliche Rückgang seit Bestehen
- Halbleiter fielen um fast 15% zurück, der größte monatliche Rückgang seit November 2008
- S & P Financials fiel im Oktober um über 7% - der schlechteste Monat seit Januar 2016
- GSIBs (Global Systemically Important Banks) fielen im Oktober um über 10%, der schlechteste Monat seit Juni 2016 (Brexit)
- China Shanghai-Index: schlechtester Monat seit Januar 2016
- Europäische Aktien schlimmster Monat seit Januar 2016
- Schlechtester Oktober für Junk-Anleihen seit 2008
- USD größter monatlicher Gewinn seit November 2016 (Trump-Wahl)
- USD und Gold legten seit Februar 2017 für den ersten Monat zu
- Gold: größter monatlicher Gewinn gegenüber Yuan seit Juni 2016
- Der schlechteste Monat für Öl seit Juli 2016
von Sven Weisenhaus
Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Stimmung an der Börse von „himmelhoch jauchzend“ bis „zu Tode betrübt“ verändert hat. Nur weil die Kurse auch an den US-Börsen mal wieder etwas stärker korrigiert haben, sieht die Masse inzwischen - überspitzt formuliert - das Ende aller Aufwärtschancen am Aktienmarkt und es wird vom Crash gesprochen.
Dabei muss man einfach nur mal einen Schritt zurückgehen und sich die Situation noch einmal „von oben“ ansehen, um festzustellen, dass sich kaum etwas verändert hat und es überhaupt keinen Grund für eine plötzlich derart pessimistische Stimmung gibt.
Eurozone kehrt zurück zum Potentialwachstum
So ist es doch zum Beispiel längst bekannt, dass sich das hohe Wachstum der Vergangenheit nicht länger halten lassen wird (siehe Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerdaten etc.). Und so sollte es auch nicht verwundern, dass die heutige 1. Schätzung für das Wachstum der Eurozone im 3. Quartal 2018 nur noch einen BIP-Zuwachs von 0,2 % gegenüber dem Vorquartal ausweist, nach jeweils noch +0,4 % in den beiden Quartalen zuvor.
Mit dem aktuellen Plus von 1,7 % in der Jahresrate nähert sich die Eurozone lediglich ihrem Potentialwachstum an. Unter „Potenzialwachstum“ versteht man in der Volkswirtschaftslehre die langfristige Veränderung des Bruttoinlandsprodukts bei einem optimalen Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten.
Wachstum der USA kehrt zurück zum Durchschnitt
Auch das Wachstum der USA verlangsamte sich im 3. Quartal 2018 - nach einer ersten offiziellen Schätzung vom vergangenen Freitag auf 3,5 %, von 4,2 % im Quartal zuvor. Experten hatten allerdings einen noch größeren Rückgang erwartet (3,3 %). Insofern ist auch dieser Rückgang keineswegs ein Grund für lange Gesichter.
Haupttreiber des aktuellen Quartalswachstums war der private Konsum, der rund 2,7 Prozentpunkte zur Expansion beitrug. Dagegen zeigt der stark negative Außenbeitrag (Wachstumsbeitrag: -1,8 Prozentpunkte), dass sich die protektionistische US-Handelspolitik langsam zum Bumerang entwickelt. Nachdem im Vorquartal infolge der seit Juli wirksamen chinesischen Vergeltungszölle auf US-Sojabohnenimporte Vorratskäufe noch für einen positiven Wachstumsbeitrag (+1,2 Prozentpunkte) sorgten, wurden diese nun mehr als kompensiert.
Auf diese Vorzieheffekte hatte ich auch schon im Hinblick auf die chinesische Wirtschaft hingewiesen (siehe u. a. Börse-Intern vom 9. August). Und die aktuellen BIP-Daten weisen im Detail auf eine weitergehende Abschwächung des Konjunktur-Momentums auch in den USA hin. So dürfte das US-Wachstum bereits im 4. Quartal 2018 zum Durchschnitt der vergangenen 16 Quartals (+2,325 %) zurückkehren.
Und auch das ist kein Beinbruch. Stattdessen darf man sich darüber freuen, dass es wohl nicht zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft kommt, die langfristig deutlich schlechter für die Märkte gewesen wäre als die aktuelle Normalisierung.
Zinssorgen stellen sich als unbegründet heraus
Hinzu kommt in diesem Zusammenhang noch folgender positiver Aspekt: Erinnern Sie sich noch an die Börse-Intern vom 19. Oktober. Darin war zu lesen, dass sich die Zinsängste wieder einmal als unbegründet herausstellen werden. Passend dazu sagte Andre Bakhos, Geschäftsführer des Vermögensberaters New Vines, zum aktuellen US-BIP, dass durch die Abkühlung der Konjunktur der Druck auf die Notenbank Fed nachlasse, schneller an der Zinsschraube zu drehen.
Und von Seiten der britischen Großbank HSBC war gestern zu lesen, dass ein Rückgang des PCE-Deflators auf 2,0 % „die Spekulationen auf eine Verlangsamung des US-Zinserhöhungszyklus wieder befeuern“ könnte. Und weiter: „Dies könnte die Renditen für 10-jährige US-Treasuries noch weiter in Richtung der 3 %-Marke treiben.“. Nun, der PCE-Deflator ist mit den gestrigen Zahlen auf 2 % zurückgefallen und die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe lag am Freitag schon nur noch bei 3,08 %, nach noch 3,22 % vor 20 Tagen.
Die Zinsängste stellen sich also tatsächlich wieder einmal als unbegründet heraus und scheinen mit den jüngsten Wirtschaftsdaten auch bereits zu verfliegen. Prompt gelang den US-Indizes gestern eine beeindruckende Intraday-Wende.
Nasdaq 100 liegt 2018 mit fast 5 % im Gewinn!
Dabei liegen Dow Jones und S&P 500 derzeit auf Sicht des laufenden Jahres sowieso gerade einmal minimal im Minus - letzterer zum Beispiel nur 1,2 %. Und der Nasdaq 100 kann sogar trotz der aktuellen Rückschläge noch auf einen Gewinn in Höhe von fast 5 % verweisen. Alleine diese Zahlen lösen bei mir mit Blick auf den extremen Stimmungsumschwung und den hohen Pessimismus Kopfschütteln aus.
Anleger waren größere Kursverluste nicht mehr gewohnt
Ich kann dafür aber natürlich auch durchaus Verständnis aufbringen. Denn den Hauptgrund für dieses Anleger- und Medienverhalten sehe ich darin, dass man größere Kursbewegungen, insbesondere nach unten, offenbar einfach nicht mehr gewöhnt ist. So verlor der S&P 500 am vergangenen Mittwoch 3,09 % und der Nasdaq 100 sogar 4,63 %. Letzterer erlitt damit seinen größten Tagesverlust seit August 2011 (!). Und er bewegte sich dieses Jahr erst zum zweiten Mal mit mehr als 4 %. Ähnliches gilt für den S&P 500, der dieses Jahr erst vier Mal mit mehr als 3 % schwankte.
Kein Wunder also, dass die aktuell hohen Kursschwankungen gleich zu leichter Panik führen. Für einige Anleger ist es vielleicht sogar das erste Mal, dass sie mit einem Minus von mehr als 4 % an einem einzigen Tag konfrontiert werden.
Willkommen zurück in der Normalität der Börsen
Allerdings bedeuten solche Kursbewegungen lediglich eine Rückkehr zur Normalität. Denn in den vergangenen 20 Jahren hat der S&P 500 durchschnittlich rund viermal pro Jahr um 5 % und mehr korrigiert. Und angesichts der vielen Risiken (Handelskonflikte, Italien, Verschuldung, steigende US-Zinsen, Brexit, Wachstumsverlangsamung in China, etc.) ist es verwunderlich, dass es nicht schon viel öfter in diesem Jahr derartigen Kursrücksetzern gekommen ist.
Aber die Anleger haben die Risiken eben lange Zeit ignoriert und waren von der geringen Volatilität förmlich eingelullt. Nun heißt es eben aufwachen und willkommen zurück in der normalen Realität der Börsen, die nun einmal keine Einbahnstraßen sind.
Fazit
Die Aktienkurse waren angesichts von hohen Wirtschafts- und Gewinnwachstumsraten stark gestiegen und kommen nun angesichts des nachlassenden Wachstumsmomentums wieder ein Stück zurück. Das ist ein ganz normales Vorgehen an den Märkten und die aktuellen Kursverluste sind nicht außergewöhnlich. Vielmehr kehrt die Volatilität wieder zur Normalität zurück.
Da die Stimmung derzeit aber sehr negativ ist, muss man vorsichtig bleiben. Denn es sind noch weitere panikartige Verkaufsschübe möglich. Doch nach einer Kursberuhigung könnte sich herausstellen, dass sich lediglich die erwarteten Seitwärtsbewegungen an den Aktienmärkten etabliert haben. Und dann könnten die aktuellen Kurse durchaus schon Kaufkurse sein.
Das gilt allerdings nicht, wenn sich die Frühindikatoren weiter eintrüben und sie damit doch noch auf eine baldige Rezession hinweisen. In diesem Fall hätten die Kurse noch Platz nach unten. Dies werden wir aber für Sie wie gewohnt weiter sehr aufmerksam beobachten.
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