Unsere Abgeordneten fühlen sich dem Volk gegenüber nicht verpflichtet. Obwohl sie für einen Vollzeitjob fürstlich entlohnt und versorgt werden, wollen allein sie entscheiden, ob und welche Nebentätigkeiten sie ausüben und wieviel sie nebenher verdienen. Die Renitenz der Abgeordneten ist notorisch. In kaum einem anderen Land der Welt schotten sich die Volksvertreter so ab wie in Deutschland.
von Rolf Ehlers
Die Verwaltung des Deutschen Bundestages berichtet wie folgt:
„Der Bundestag hat am Donnerstag, 8. November, und Freitag, 9. November 2012, folgende Beschlüsse gefasst, zum Teil ohne vorherige abschließende Aussprache.“
Es folgt die Auflistung der großen Zahl von 41 Beschlüssen dieser beiden Tage. Unter Nr.29 heißt es:
„Nebentätigkeiten von Abgeordneten: Mit 303 Nein-Stimmen bei 271 Ja-Stimmen hat der Bundestag am 8. November einen gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/11331) abgelehnt, Transparenz bei Nebeneinkünften von Abgeordneten durch eine Veröffentlichungspflicht "auf Euro und Cent" herzustellen und die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages entsprechend zu ändern. Keine Mehrheit fand auch ein weiterer gemeinsamer Antrag von SPD und Grünen (17/11332), Nebentätigkeiten transparent zu machen und in den Verhaltensregeln auch eine Angabe zur Branche des Auftraggebers von Berufsgeheimnisträgern wie Rechtsanwälten oder Steuerberatern vorzuschreiben. Abgelehnt wurden ebenfalls Anträge der SPD (17/11318) und der Grünen (17/11204), die eine Karenzzeit für ehemalige Regierungsmitglieder zum Ziel hatten. Während die SPD eine Anlehnung an die Regelungen für Mitglieder EU-Kommission mit einer Karenzzeit von 18 Monaten nach Ende der Amtszeit befürwortete, forderten die Grünen eine gesetzliche Möglichkeit zur Beschränkung der Berufstätigkeit ausgeschiedener Minister, Parlamentarischer Staatssekretäre und Staatssekretäre. Auch Die Linke scheiterte mit ihrem Antrag (17/11333) zu Transparenz und Unabhängigkeit im Bundestag und in der Bundesregierung, in dem sie eine fünfjährige Karenzzeit verlangt hatte.“
Bei allen Parteien, selbst bei der Linken, gab es auch nicht wenige Abgeordnete, die an der Abstimmung gar nicht teilnahmen. So oder so: mit allen Gegenstimmern von CDU/CSU und FDP war mehr Transparenz bei den Nebeneinkünften der Abgeordneten nicht zu erzielen.
Wir haben es damit mal wieder schriftlich: Unsere Abgeordneten fühlen sich dem Volk gegenüber nicht verpflichtet. Obwohl sie für einen Vollzeitjob fürstlich entlohnt und versorgt werden, wollen allein sie entscheiden, ob und welche Nebentätigkeiten sie ausüben und wieviel sie nebenher verdienen. Sie wollen sogar nur begrenzte Auskunft über ihre Nebeneinnahmen geben. Der Souverän im Staate sind nämlich nach ihrer Auffassung sie selbst und nicht das Volk. Das ist Betrug am Volk.
Die Renitenz der Abgeordneten ist notorisch. In kaum einem anderen Land der Welt schotten sich die Volksvertreter so ab wie in Deutschland.
Die UN-Konvention gegen Korruption ist seit Dezember 2005 in Kraft und wurde von 140 Nationen, darunter auch Deutschland, unterzeichnet. Über 100 Nationen haben die Konvention mittlerweile ratifiziert, darunter Staaten wie Frankreich, Großbritannien, Kanada, Polen, Spanien, Schweden und USA. Deutschland hat dagegen die Konvention noch immer nicht ratifiziert. Auch das Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates von 1997, seit 2002 in Kraft, wurde bisher aber nicht von Deutschland ratifiziert.
De facto ist sogar di e Bestechung von Abgeordneten strafrechtlich nicht verfolgbar. Erst seit 1994 ist es in Deutschland wenigstens auf dem Papier t strafbar, Abgeordnete zu bestechen bzw. sich als Abgeordneter bestechen zu lassen. Der entsprechende § 108 e StGB aber ist ein Witz. Denn er kennt so enge Tatbestandsgrenzen, dass er völlig unanwendbar ist. Nur ein komplett dokumentierter Kauf der Stimme eines Abgeordneten für eine Wahl oder Abstimmung ist überhaupt strafbar. Nach „Dankeschön-Spenden“ nach der Abstimmung, Überweisungen an den Ehegatten des Abgeordneten oder Stimmenkauf für die entscheidenden Fraktionssitzungen der Mehrheitsfraktion (die die Entscheidung in der Vertretungskörperschaft in der Praxis antizipieren) sind z. B. nach wie vor straffrei, vor allem aber setzt der "Kauf" einer Stimme, der selbstverständlich bewiesen werden muss, in der Regel das Vorliegen eines ordentlichen schriftlichen Kaufvertrages voraus, der einen klaren Zusammenhang zwischen einem Abstimmverhalten und einem materiellen Vorteil herstellt.“
Es ist nicht viel, was der Wahlbürger in Deutschland politisch bewegen kann. Die Aktion Volksabstimmung hat alle Abgeordneten gefragt, was sie von Volksabstimmungen in Sachfragen halten und hat von den Mitgliedern des Bundestages eine fast einhellige Abfuhr erhalten.
Selbst hier und da „kremisige“ Abgeordnete wie Wolfgang Bosbach, der sehr zum Unmut von Ronald Pofalla gegen die ESM-Verträge stimmte, erklärt das Volk für zu dumm und unzuverlässig, um in der Sache mitzureden. Was bleibt? Gleich zu welcher politischen Richtung wir tendieren, sollten wir Bürger keinem Kandidaten bei der Bundestagswahl 2013 die Stimme geben, der sich nicht offen dazu bekennt, dem Grundsatz nach die direkte Abstimmung des Volkes über Sachfragen einzuführen.
Es versteht sich, dass eine der ersten Sachentscheidungen des Volkes die sein wird, dass die Mitglieder des Bundestages künftig keine Nebentätigkeiten mehr ausüben dürfen. Die Transparenzdebatte ist damit dann erledigt. Die Korruption von Abgeordneten, die heute die Regel ist, wird dann eine seltene Ausnahme. Wir stehen nicht mehr unter der Kuratel der Volksvertreter. Der Souverän im Staate ist endlich - wie vom Grundgesetz eigentlich gewollt aber nicht erreicht – das Volk.