Spanische Sparkassenkunden verlieren Teile ihrer Anlagen – Einlagensicherung greift hier nicht. Allen Dementis zum Trotz mehren sich europaweit die Zeichen, dass marode Banken künftig auch mit Kundeneinlagen saniert werden sollen. Statt als Lösung für die Bankenkrise könnte sich das Vorhaben schnell als Brandbeschleuniger entpuppen, der die Euro-Zone noch schneller zum Einsturz bringt.
von Norman Hanert
Nicht nur die Kunden zypriotischer Banken dürften das Jahr 2013 in unguter Erinnerung behalten. Im Windschatten des Hick-Hacks um das Rettungspaket für Zypern hat Spaniens Regierung einen Schritt unternommen, der fast noch drastischer ausfällt als die umstrittene Lösung, die auf Zypern gefunden wurde. In weit größerem Umfang als auf der Mittelmeerinsel sollen in Spanien Gläubiger von angeschlagenen Banken zur Sanierung herangezogen werden. Rund 200000 Eigentümer von sogenannten „Preferentes“ (Vorzugsbeteiligungen) werden zwischen 38 und 61 Prozent ihrer Geldanlage verlieren. Allein im Fall des Pleiteinstituts Bankia wird es 100000 Kunden – häufig Kleinanleger, darunter viele Rentner – treffen, die nun 38 Prozent ihrer angelegten Gelder in den Wind schreiben können. Auch mit Blick auf das Volumen braucht sich die spanische Variante einer Bankensanierung nicht hinter der Zypern-Lösung zu verstecken. Insgesamt will Madrid mit der Aktion mehr als sechs Milliarden Euro zusammenbekommen.
Für die betroffenen Spanier hat der Schritt drastische Folgen. Im Gegensatz zu Bankeinlagen unter 100000 Euro bürgt der Staat nicht für die „Preferentes“. Erst jetzt dürfte vielen Betroffenen klar geworden sein, worauf Hans-Werner Sinn vom Münchner ifo Institut im Zusammenhang mit der Zypern-Krise angespielt hat: „Wer nicht weiß, dass ein Sparer der Gläubiger seiner Bank ist, der tut mir leid.“
Die Tatsache, dass Kunden mit ihren Einlagen Kreditgeber ihrer Banken sind und im Notfall auch als Gläubiger haften, dürfte der Masse der Bevölkerung kaum bewusst sein. Die jüngsten Ereignisse in Zypern und Spanien werden dies nun ändern. Ordnungspolitisch ist das Verfahren, alle Bankengläubiger einzubeziehen, allemal sauberer, als wie bisher marode Banken und deren Investoren auf Kosten der Steuerzahler herauszuhauen.
Freilich gilt auch der Umkehrschluss: Wenn Bankkunden künftig genauso wie professionelle Investoren haften sollen, dann werden sie sich zunehmend auch wie Anleger verhalten. Trotz Einlagensicherungsfonds und staatlichen Garantieversprechen für Sparvermögen wird künftig auch „Otto Normalverbraucher“ genauer hinschauen, welcher Bank er sein Geld anvertraut. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, mit Girokonto und Sparbuch für die Sanierung von Zockerbuden zu haften.
Allen Dementis zum Trotz mehren sich die Hinweise, dass weder Zypern noch Spanien „Sonderfälle“, sondern nur Vorreiter waren und dass der Rückgriff auf Kundenguthaben zum Standardmodell werden soll. Aufschlussreich ist hier ein Interview, das Bundesbank-Präsident Jens Weidmann unlängst im Deutschlandfunk gegeben hat. Es gebe „Arbeiten auf europäischer Ebene an einem Abwicklungsregime“, so der oberste Bundesbanker. Weidmann weiter: Banken sollen „verursachergerecht abgewickelt werden können“, ohne eine Gefahr für das Finanzsystem darzustellen. Zwar sprach sich Weidmann dafür aus, dass zunächst einmal die „Eigentümer der Banken in die Haftung genommen werden, dann die Fremdkapitalgeber“ und erst ganz am Ende der Haftungskette die Einleger. Wenig vertrauenserweckend klingt in diesem Zusammenhang allerdings seine Erklärung, dass Bank-Guthaben unter 100000 Euro „möglichst nicht angetastet“ werden sollen. Mit anderen Worten: Es ist keineswegs ausgemacht, ob künftig nicht auch kleinere Sparguthaben herangezogen werden. Fraglich ist allerdings, wie lange dieses Modell von Bankensanierung überhaupt funktionieren kann. Unter den konkreten Bedingungen wird sich unter den Banken der Euro-Zone schnell die „Spreu vom Weizen“ trennen, werden Kunden im Zweifel ihre Einlagen von schwachen Banken abziehen.
Profiteure der Entwicklung werden solide erscheinende Banken im Kern der Euro-Zone sein. Im Klartext bedeutet das noch mehr Kapitalflucht aus der Euro-Peripherie als bisher. In der Folge könnte der Bankensektor einiger Krisenländer regelrecht austrock-nen, erneut einspringen müsste dann die EZB.
Diese Gefahr wird nun sogar noch weiter angeheizt – durch einen weiteren, im Laufe der Zypernkrise begangenen Tabu-Bruch. Erstmalig in der Geschichte des Euro sind Kapitalverkehrskontrollen verhängt worden, die gemäß Maastricht-Vertrag eigentlich untersagt sind. Das Verbot, über sein Geld frei verfügen und es auch ins Ausland überweisen zu können, dürfte langfristig eine ebenso verheerende Wirkung entfalten, wie der Zugriff auf Kundeneinlagen zur Banksanierung. Die Botschaft ist eindeutig. Ein Euro, der auf einer zypriotischen Bank liegt, ist im Ernstfall weniger wert, als ein Euro, der etwa auf einem Bankkonto in Deutschland liegt. Setzt sich diese Erkenntnis in den südlichen Euro-Krisenländern erst einmal in der breiten Masse durch, könnte dies leicht zum Brandbeschleuniger in der Krise werden. Nicht von ungefähr warnt der US-Ökonomen Doug Casey in seinem renommierten Informationsdienst „Casey-Report“ inzwischen davor, dass Zypern „der Funke gewesen sein könnte, der das Fass Dynamit, auf dem das weltweite Finanzsystem steht, anzündet“. Zypern habe gezeigt, so Casey, dass die Regierungen durchaus bereit und in der Lage sind, Geld auf Bankkonten zu konfiszieren, um das Bankensystem am Leben zu halten.