Ex-Handelsblatt-Ikone Gabor Steingart will die Presse revolutionieren. In einem Redaktionsschiff inklusive Newsroom schippern Journalisten künftig im Regierungsviertel. Und weil Kahn samt Crew so teuer sind beteiligt sich Axel Springer an dem Projekt mit 36%.
Axel Springer Aktie ein Jahr
von DK
Die beiden größten Geldverbrenner im deutschen Journalismus, Gabor Steingart und Mathias Döpfner (Chef Axel Springer), haben sich nach langer Suche endlich gefunden und zusammengetan.
Die Geschichte ist so schön, dass sie aus einem Märchenbuch stammen könnte. Beide bauen zusammen ein Nachrichtenschiff, das in Berlin auf der Spree schippern soll. Es dürfte ein Narrenschiff werden, das da am Reichstag ankern wird.
Steingart war lange beim siechenden Spiegel, ehe er Dieter von Holtzbrink, den Verleger von Zeit, Tagesspiegel und Handelsblatt blenden konnte, er könne das marode Handelsblatt wieder flott bekommen.
In der Folge gab es tolle Kongresse, Events und Partys beim Handelsblatt, die Millionen kosteten, bis Holtzbrinck die Notbremse zog und den Kostentreiber (vermutlicher mit hoher Abfindung) vor die Tür setzte. Seitdem macht sich Steingart mit seinem „Morning Briefing“ einen Namen, einen Mail-Dienst mit Podcast, der nett zu lesen und zu hören ist. Nur verdienen tut Steingart damit – nichts.
Damit ist die Döpfner-Ebene erreicht. Der verdient mit Springer auch nichts oder nicht mehr viel.
Wer sich die jüngste Springer-Meldung über den Ablauf des ersten Quartals 2019 genauer anschaut, wird gehäuft auf verdächtige Formulierungen stoßen wie: Der Umsatz habe „konsolidierungs- und währungsbereinigt“ zugelegt oder das Ergebnis habe „organisch“ zugelegt.
Das heißt übersetzt: Verdient wird hier fast gar nichts mehr. Döpfner erklärte: „Springer wächst mit digitalen Rubrikenangeboten und mit digitalem Journalismus deutlich“. Man fragt sich nur, warum Döpfner dann die Mehrheitsbeteilung am Ferienhausvermittler Leisure für 180 Millionen Euro verkauft beziehungsweise verkaufen muss.
Das alte Kerngeschäft, die Zeitungen, läuft katastrophal: Bild verlor im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal 11 Prozent, Die WELT 9,7 Prozent an Auflage. Übrigens geht es Holtzbrinck nicht viel besser, sonst müsste er nicht die Berliner Hauptstadt- und Hamburger Politik-Redaktion der Zeit zusammenlegen. Eine solche Fusion war der Anfang vom Ende der WELT, die heute keine Zeitung mehr ist, sondern eine leblose Hülse.
Doch solchen Fragen stellt sich Döpfner nur ungern. Lieber geht er mit einer 36-prozentigen Beteiligung an Bord von Steingarts Firma „Media Pioneer Publishing“.
Kann Geldvernichtung schöner sein?
Als Hauptquartier soll der Firma ab Frühjahr 2020 ein 40 Meter langes und sieben Meter breites Redaktionsschiff inklusive Newsroom, Tonstudio und Event-Bereich (für Steingarts berühmte Partys) dienen: 200qm Arbeitsfläche, Kosten geschätzt 10 Mio., Mitarbeiter sollen von 20 auf 50 aufgestockt werden.
Mit Elektroantrieb soll die „Pioneer One“ täglich auf der Spree im Berliner Regierungsviertel umherschippern und am Reichstag anlegen. Noch nie wurde die enge Verbundenheit von Politik und Journalismus so eindrucksvoll dokumentiert wie durch Steingarts/Döpfners „Pioneer One“.
Nachdem der politische Arm des politisch-medialen Komplexes im Reichstag die tägliche Lektion Realitätsverweigerung über Kulturbereicherer, Wohlstand dank Euro und Europa und das vorbildliche Funktionieren der Energiewende verabreicht hat, können die Politik-Darsteller über den Schiffsanleger an der Wilhelmstraße gleich zum medialen Teil des politisch-medialen Komplexes wechseln und ihre Fake News via Newsroom und Studios der „Pioneer One“ verbreiten.
Dass Döpfner und Steingart neue Spielwiesen suchen, wundert nicht. Meedia.de zieht ein nüchternes Fazit über Springer: „Zukäufe (Politico, Business Insider) sind sicherlich interessante Investitionen, werden aber in der deutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, ebenso wenig wie innovative Redaktionskonzepte (Upday).
Seit langem ist der große publizistische Aufschlag bei einem so selbstbewusst agierenden Verlag wie Axel Springer überfällig – und bitte, hier könnte er sein“, heißt es zu der neuen Initiative von Steingart und Döpfner.
Der Barde Reinhard Mey hat schon vor Jahren die „Pioneer One“ kommen sehen und in seinem Lied das Narrenschiff besungen: