Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) fordert Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, für die Aufnahme der 42 Flüchtlinge auf dem deutschen Rettungsschiff "Sea Watch 3" in deutschen Städten zu sorgen.
"In ganz Deutschland sind mehr als 60 Städte dem Bündnis `Sichere Häfen` beigetreten", sagte Roth den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" (Freitagsausgaben). Seehofer verweigere aber sein Einverständnis und "stößt damit just denen vor den Kopf, die vorangehen und beweisen wollen, was auch die Union gern einfordert: europäische Solidarität und humanitäre Verantwortung", so die Grünen-Politikerin weiter.
Roth warf dem italienischen Innenminister Matteo Salvini vor, internationales Recht zu untergraben, wenn er der "Sea Watch 3" die Anlandung auf der sizilianischen Insel Lampedusa verwehrt.
"Er bezeichnet Geflüchtete nicht nur als Menschenfleisch, sondern behandelt sie auch so. Er tritt mit Füßen, was Europa ausmachen sollte: Menschenrechte, Humanität, Rechtsstaatlichkeit", sagte Roth.
Savini bleibt hart
Ob Salvini den Begriff "Menschenfleisch" wirklich erwähnte ist nicht belegt. Tatsächlich aber verlautbarte er per Twitter: "Nur weil die „Kommandantin“ (der Sea Watch) weiß, reich und deutsch sei, müsse sie niemandem vor Lampedusa „auf die Eier gehen“. Sie könne zum Beispiel „arbeiten gehen“ oder einen Freiwilligendienst leisten."
Der italienische Innenminister warf der Kapitänin und der deutschen Hilfsorganisation in weiteren Tweets vor, italienische Gesetze zu missachten und den Menschenschmugglern zu helfen. „Sie haben nahe gelegene sichere Häfen abgelehnt“, betonte er unter Anspielung auf Malta, Griechenland und Tunesien.
Und: In den zwei Wochen, die seit der Rettung der Flüchtlinge vor der libyschen Küste vergangen seien, hätte das Schiff bereits zweimal die Niederlande erreichen können, unter deren Flagge es fährt, äußerte Salvini.
Roth gegen Seehofer
Mit seiner Blockadehaltung bestärke Seehofer den italienischen Innenminister "in seinem Kurs der Unmenschlichkeit" und mache sich "zum Erfüllungsgehilfen einer europäischen Schande", so die Bundestagsvizepräsidentin weiter. Eine Sprecherin Seehofers bestätigte gegenüber den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland", dass im Ministerium aus über 50 Städten und Kommunen Schreiben eingegangen wären, in denen die Bereitschaft zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Asylsuchenden bekundet worden wäre.
"Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angewiesen, die aus Seenot geretteten Personen, die von Deutschland übernommen werden, in Absprache mit den jeweiligen Bundesländern den aufnahmebereiten Kommunen zuzuteilen", erklärte die Sprecherin. Im Moment gebe es jedoch noch vertrauliche Gespräche auf europäischer Ebene.
Der Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD), der das aus mehr als 60 Kommunen bestehende Städtebündnis "Städte Sicherer Häfen" koordiniert, reagierte mit Unverständnis auf ausbleibende Antworten des Ministeriums auf die kommunalen Angebote. "Wichtiger ist mir aber, dass die Menschen endlich aufgenommen und ordentlich versorgt werden und Herr Seehofer in Italien interveniert. Denn der Versuch, Humanität und die Einhaltung eherner Grundsätze der christlichen Seefahrt mit Strafe zu belegen, ist unerträglich", so Spies.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) unterstützt die Städte, hat aber auch Verständnis für Seehofers Position, dass eine europäische Lösung gefunden werden müsse. "Thüringen übernimmt - wie in der Vergangenheit - Verantwortung bei humanitärer Hilfe für Flüchtlinge", sagte Ramelow den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland". Konkrete Hilfe "im Einzelfall" ersetze nicht eine europäische Lösung in der Flüchtlingshilfe, "die nach wie vor dringend geboten ist", so der Linken-Politiker weiter.
Foto: Claudia Roth, über dts Nachrichtenagentur