Der bekannte Berliner Historiker Heinrich August Winkler hält rund um die Thüringer Krise die Vergleiche mit der Weimarer Republik oder dem Nationalsozialismus für falsch.
Der "Welt am Sonntag" sagte Winkler: "Es ist absurd, ständig den Untergang der Weimarer Republik zu beschwören. Das, was in Erfurt geschehen ist, ist alarmierend genug. Aber mit falschen Analogien wird die gegenwärtige Situation der deutschen Demokratie in ein völlig falsches Licht gerückt."
Die Lage heute sei in keiner Weise mit den 30er-Jahren zu vergleichen. "Der Unterschied zwischen der heutigen Situation und der der frühen 30er-Jahre ist eklatant. Damals herrschte Massenarbeitslosigkeit in Deutschland, es standen sich bewaffnete Parteiarmeen gegenüber.
Die Lage zwischen 1932 und 33 wird zu Recht als bürgerkriegsähnliche Situation beschrieben. So etwas wie einen Verfassungspatriotismus gab es in der Weimarer Republik nur als Minderheitsphänomen. Im Juli 1932 gab es eine negative Mehrheit gegen die Demokratie bei den Reichstagswahlen. Die beiden totalitären Parteien, die KPD und die NSDAP, hatten die Mehrheit im Reichstag errungen."
Der inflationäre Gebrauch des Begriffs "Faschismus" führt letztlich zu einer Verharmlosung des Faschismus.
Winkler sagte, die AfD sei am ehesten mit den Deutschnationalen der Weimarer Zeit zu vergleichen. "Die Deutschnationale Volkspartei war eine antidemokratische, nationalistische und reaktionäre Rechtspartei mit einem starken völkisch-rassistischen Flügel." Der Historiker sieht den rechten Flügel der AfD auf dem Vormarsch - "und zwar auch in der Bundes-AfD".
Foto: Philipp Scheidemann ruft am 9. November 1918 die Republik aus, über dts Nachrichtenagentur