Grüne Europa-Abgeordnete werfen Russland-Experten Alexander Rahr Lobbyismus für den Kreml vor. „Eine Art Einflussagent des Kreml“. - CDU: Wichtige Gesprächsforen „sollten nicht durch Leute wie Rahr unterwandert werden“
Der Historiker Alexander Rahr sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, Propaganda für den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu betreiben. „Herr Rahr agiert in Deutschland als eine Art Einflussagent des Kreml“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz der „Welt am Sonntag“. Er propagiere die Strategie Putins, Russland als strategische Rohstoffmacht auszurichten. Rahr, der zuletzt als Russland-Experte zahlreiche Fernsehauftritte in ARD und ZDF hatte, ist Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums und koordiniert die Zukunftswerkstatt im Petersburger Dialog. Diese wichtigen Gesprächsforen „sollten nicht durch Leute wie Rahr unterwandert werden“, sagte der CDU-Euroapaabgeordnete Elmar Brok sagte der „Welt am Sonntag.“
Damit konfrontiert, sagte Rahr der Zeitung: „Es wäre mir zutiefst zuwider, ein Agent zu sein.“ Er sehe seine Aufgabe darin, den Deutschen zu erklären, wie Moskaus Führung denke. Der 55-Jährige ist auch Ehrenprofessor der Moskauer Diplomatenschule und Mitglied des Konsultativrates des exklusiven Valdai-Klubs, der Treffen von ausgewählten Russland-Experten mit Putin organisiert. Seit rund zwei Jahren berät er daneben als „Senior Adviser“ den Kasseler Gas- und Ölkonzern Wintershall. Die BASF-Tochter kooperiert eng mit der russischen Gazprom. Den Vorwurf, er sei deshalb als Wissenschaftler nicht unabhängig, weist Rahr zurück. „Ich trenne diese Tätigkeit strikt von meiner ehrenamtlichen Aufgabe als Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums“, sagte er.
Kritik am Deutsch-Russischen Forum und dem Petersburger Dialog übt Stefan Meister, Osteuropa-Experte des European Council on Foreign Relations. „Sie waren einst gegründet worden, um den Dialog zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder zu fördern. Ziel war es auch, unsere westlichen Werte wie Demokratie, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln. Doch inzwischen werden die Organisationen auch dazu missbraucht, um Lobbyarbeit für Wirtschaftsinteressen zu betreiben und ein positives Russland-Bild in der deutschen Öffentlichkeit zu präsentieren“, sagte er der „Welt am Sonntag“.
Für den früheren Russland-Beauftragten der Bundesregierung und stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionschef Andreas Schockenhoff ist der Petersburger Dialog kein unabhängiges Gesprächsforum mehr. Der Kreml steuere, wer von russischer Seite teilnehme und wer nicht. Putin-Kritiker kämen nicht zu Wort. „Die Breite der russischen Zivilgesellschaft ist dort nicht vertreten. Gerade darin aber läge die Chance über Politik und Wirtschaft hinaus, mit Russland Beziehungen aufzubauen. Diese Chance wird von der russischen Führung nicht nur nicht gewollt. Sondern auch unterbunden“, sagte Schockenhoff in der „Welt am Sonntag“.