Im Streit um die verschärfte Straßenverkehrsordnung (StVO) zeigen neue Zahlen aus dem Bundesverkehrsministerium, dass Autofahrern in Deutschland ohne Verhaltensänderung millionenfach Fahrverbot droht.
Allein außerorts registrierten die Behörden 2018 und 2019 in Deutschland insgesamt 997.423 beziehungsweise 930.019 Autofahrer, die zwischen 26 und 40 Stundenkilometer zu viel auf dem Tacho hatten - dafür gibt es nach den Ende April eingeführten neuen Regeln einen Monat Fahrverbot.
Diese wurden wegen eines Formfehlers Anfang Juli außer Kraft gesetzt.
Die Zahlen gehen aus der Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten um den Verkehrsexperten Oliver Luksic hervor, über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben) berichten.
Bei der Verschärfung des Bußgeldkatalogs sollten Autofahrer innerorts bereits ab 21 und außerorts ab 26 Kilometern pro Stunde zu viel mit einem Monat Fahrverbot bestraft werden. Zuvor lagen die Grenzen bei 31 und 41 km/h. Bei innerorts begangenen Tempo-Verstößen lagen nur Zahlen für den Geschwindigkeitsbereich von 26 bis 30 km/h zu viel vor - hier gab es in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 151.424 beziehungsweise 148.341 Fälle.
Die Zahl einmonatiger Fahrverbote hätte sich mit den verschärften Regeln vervielfacht. 2018 und 2019 kassierte die Polizei 423.386- und 416.269-mal Fahrerlaubnisse für den Zeitraum eines Monats ein.
FDP-Politiker Luksic nannte die neue Straßenverkehrsordnung daher "eine Führerscheinfalle sondergleichen". Die drohende Vervielfachung der Fahrverbote sei "beispiellos und völlig unverhältnismäßig". "Berufliche Existenzen sind vom Führerschein abhängig, und es wird zu einer Überlastung von Behörden und Gerichten kommen, wenn der Führerschein immer sofort auf dem Spiel steht", sagte er den Funke-Zeitungen.
In den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern um eine rechtssichere Neuregelung hatte es bis zuletzt wenig Bewegung gegeben. So wollen die Grünen, die in vielen Ländern mitregieren, an den schärferen Regeln festhalten.
Die Saar-Verkehrsministerin und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Anke Rehlinger (SPD) sagte den Funke-Zeitungen: "Wir haben jetzt einen ideologischen Grabenkampf, der mehr mit parteipolitischer Inszenierung zu tun hat als mit einer sachlichen Debatte."
Diese Situation habe sich Bundesverkehrsminister Scheuer "selbst eingebrockt, indem er inhaltliche Änderungen vorgelegt hat, statt schlicht Rechtsunsicherheiten zu heilen". Rehlinger sieht jetzt alle Seiten in der Pflicht, schnell für Klarheit und Rechtssicherheit zu sorgen. Wichtig seien dabei vor allem Regelungen, die Deutschland dem Ziel "Vision Zero", null Unfälle, näherbrächten, anstatt das Land weiter davon zu entfernen.
Foto: Tempo-30-Zone, über dts Nachrichtenagentur