Ethikratsmitglied Wolfram Henn hält eine berufsspezifische Impfpflicht für denkbar. "Jemand, der aufgrund seiner freien Berufswahl in der Pflegeeinrichtung oder auf einer Intensivstation arbeitet, hat ein erhöhtes Risiko, selbst infiziert zu werden beziehungsweise als Infizierter andere zu schädigen.
Aus meiner Sicht wäre diese selbstgewählte besondere Verantwortung ein hinreichendes Argument dafür, als Arbeitgeber eine Impfpflicht einzufordern", sagte der Humangenetiker und Medizinethiker dem "Mannheimer Morgen" (Dienstagausgabe).
Der Ethikrat hatte in der vergangenen Woche zusammen mit der Ständigen Impfkommission, die beim Robert-Koch-Institut angesiedelt ist, sowie der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina ein Positionspapier vorgelegt, wie der zu Beginn knappe Corona-Impfstoff verteilt werden soll. Danach soll es zwar keine allgemeine Impfpflicht geben.
Die Frage, ob bestimmte Berufsgruppen zur Impfung verpflichtet werden sollten, war aber offen gelassen worden. Henn hält es auch für möglich, dass künftig andere Länder oder auch Reiseveranstalter vor einer Einreise beziehungsweise einer Buchung einen Impfnachweis verlangen.
Mit Blick auf Impfkritiker sagte er: "Jedwede Risikoabwägung führt ganz klar dahin, dass man mit der Impfung allemal besser fährt als mit der Krankheit." Zudem bestehe in diesem Falle eine doppelte Verantwortung: nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch anderen gegenüber.
"Insofern besteht zwar keine rechtliche, aber eine moralische Impfpflicht." Ein Ende der Pandemie sieht der Wissenschaftler auch mit den ersten Impfstoffen noch in weiter Ferne. "Die Vorstellung `Nadel rein, Maske weg` wird nicht funktionieren." Die Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten werde noch bis weit ins nächste Jahr hinein dauern, "vielleicht sogar bis ins übernächste Jahr".
Foto: Menschen mit Schutzmaske vor einem Krankenhaus, über dts Nachrichtenagentur