In der Ampel-Koalition sind die Erwartungen an die geplanten Leitlinien für eine sogenannte "feministische Außenpolitik" von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hoch. "Eine feministische Außenpolitik der Bundesregierung muss den Anspruch vertreten, die Lebensumstände von Millionen Frauen weltweit zu verbessern", sagte Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der "Welt" (Mittwochausgabe). "Indem wir mehr Mittel für Vorhaben einsetzen, die Frauen zugutekommen, kann die Bundesrepublik der internationale Vorreiter der modernen Außenpolitik werden."
Feministische Außenpolitik sei die Förderung der Gleichberechtigung weltweit, denn Gleichberechtigung führe zu einer stärkeren Demokratie und einer freien Gesellschaft. "Wie viele Studien zeigen, steigt beispielsweise die Chance, dass Friedensprozesse erfolgreich sind, wenn dort alle Perspektiven beteiligt sind und nicht nur die derjenigen am Tisch sitzen, die mit Gewalt viel Leid angerichtet haben", sagt Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger. Mit entsprechenden Strukturen im Ministerium, internationalen Allianzen, mehr Kooperation mit der Zivilgesellschaft, einer Strategie beim Budget und auch einer Beauftragten werde sichergestellt, dass es nicht nur bei schönen Worten bleibt.
"Feministische Außenpolitik ist kein Zauberstab und auch keine abstrakte Vision, sie zeigt neue und bessere Handlungsmöglichkeiten im Vergleich zu einer alten, oft anspruchslosen Außenpolitik auf." SPD-Fraktionsvize Gabriela Heinrich forderte, künftig Frauen in Fragen von Krieg und Frieden humanitär, finanziell und diplomatisch in den Fokus zu rücken. "Die jahrhundertealten patriarchalen Machtstrukturen in den internationalen Beziehungen gehören aufgebrochen und aufgelöst. Davon profitieren am Ende alle, Frauen wie Männer." Das müsse ein grundsätzliches Ziel deutscher Außenpolitik sein, dem sich alle Botschafter verpflichtet fühlen sollten.
An Baerbock richtete Heinrich die Forderung, für die finanziellen Grundlagen der Neuausrichtung zu sorgen. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt äußert die Sorge, dass Baerbock sich mit dem geplanten "Kulturwandel" von jener "professionellen Diplomatie" verabschieden könnte, mit der die deutschen Diplomaten über viele Jahrzehnte "kultursensibel weltweit deutsche Interessen vertreten". Bislang sei der Personalrat "offenbar nicht im Geringsten in die Erstellung der Leitlinien eingebunden", sagte Hardt der "Welt". "Annalena Baerbock wäre gut beraten, sich von plakativen Phrasen zu lösen und konkret zu werden."
AfD: Unsinniger Etikettenschwindel
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sprach von einem "unsinnigen Etikettenschwindel". Gute Außenpolitik sei immer Realpolitik und vertrage es nicht, mit ideologischen Konstrukten aufgeladen zu werden. "Eine Außenministerin, die sich `feministische Außenpolitik` auf die Fahnen schreibt, hat daher die Aufgabe und Bedeutung ihres Amtes nicht verstanden und ist offenkundig eine Fehlbesetzung." Sevim Dagdelen, Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, kritisierte: "Wer wie Annalena Baerbock Waffenlieferungen etwa an die Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien genehmigt, die Frauen im eigenen Land brutal entrechtet und im Jemen-Krieg rücksichtslos tötet, sollte von einer wertebasierten und feministischen Außenpolitik besser schweigen. Diese Doppelmoral ist einfach unerträglich." Es brauche eine realistische und friedliche Außenpolitik, die auf Diplomatie für eine Verhandlungslösung in der Ukraine setzt.
Foto: Annalena Baerbock, über dts Nachrichtenagentur