Grüne hoffiert, AfD niedergemacht. Das EU-Wahlergebnis ist vor allem ein Misstrauens-Votum gegen die gesamte deutsche Medienlandschaft. Sie haben an "Deutungshoheit" und Manipulations-Macht verloren. Nun herrscht Kater-Stimmung in den Redaktionsräumen.
Die Grünen wollten vor AfD und SPD liegen, stattdessen mussten sie die schwersten Verluste aller Parteien einstecken. Besonders schmerzhaft: Die Einbußen bei jungen Wählern. Anders als von den Grünen erhofft wurde gerade die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre für Baerbock und Habeck zum Verhängnis und ist Hoffnung für Deutschland. (Grafik oben)
Die jungen Wähler haben deutlich zur Ausweitung des Parteienspektrums beigetragen. Besonders viele Stimmen der 16- bis 24-Jährigen gingen in diesem Jahr an die AfD. Laut einer Analyse der ARD hat die Partei zwölf Prozent bei dieser Altersgruppe dazu gewonnen und kommt damit auf 17 Prozent. Abgestraft wurden dagegen die Grünen.
Die AfD ist in Thüringen stärkste Kraft. Die Partei holte 30,7 Prozent, wie aus Daten des Landeswahlleiters nach Auszählung aller Stimmen hervorgeht. Die CDU landet mit 23,2 Prozent auf Platz zwei.
Die Grünen müssen bei der Europawahl voraussichtlich den größten Verlust hinnehmen. In den Hochrechnungen der Sender ARD und ZDF von 20 bzw. 19 Uhr kommen sie im Mittel auf 12,1 Prozent. Bei der letzten Europawahl hatten sie noch 20,5 Prozent erzielt.
Stärkste Kraft ist die Union mit 30,1 Prozent. Dahinter folgen die AfD mit 16,3 Prozent und die SPD mit 14 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), welches erstmals bei einer bundesweiten Wahl antrat, erreichte aus dem Stand sechs Prozent. Die FDP sehen die Sender im Mittel bei 4,9 Prozent, die Linke und Volt jeweils bei 2,8 Prozent.
Die Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke zeigte sich nach der Wahlklatsche zu einer Zusammenarbeit mit der konservativen EVP bereit. "Wenn wir es schaffen, mit den anderen pro-europäischen Fraktionen eine gemeinsame Linie vorzugeben, wenn wir sagen, der Green Deal geht weiter, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie in der Europäischen Union werden verteidigt, dann sind wir Grünen auch bereit, eine Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu unterstützen", sagte sie am Sonntagabend dem Sender "Phoenix".
Es sei nun wichtig, dass die pro-europäischen Parteien zusammenstünden und gemeinsam Mehrheiten bauten. "Da stehen wir natürlich bereit, zu verhandeln. Wir sind eine klare pro-europäische Kraft, wir wollen Teil von Mehrheiten sein und daran werden wir in den nächsten Wochen arbeiten. Für uns ist klar: Der Green Deal muss weitergehen, Rechtsstaat, Demokratie, Sicherheit in der Europäischen Union müssen beschützt werden. Das geht nur, wenn man keine Rechtsextremen in solchen Mehrheiten hat und dafür sind wir Grüne bereit, zu verhandeln", so Reintke.
Ähnlich äußerte sich auch die FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Ich hoffe nicht, dass Frau von der Leyen immer noch das Ziel hat, sich von rechten Parteien unterstützen zu lassen. Gerade jetzt sind die Demokraten gefordert. Denn die Parteien sind zwar demokratisch ins Parlament gewählt worden, sie sind aber von sich heraus keine Freunde der Demokratie", sagte sie. "Wir wollen unser Europa so wie wir es haben und kennen weiterentwickeln und besser machen, aber eben nicht abwickeln. Davor haben Demokraten Angst - zu Recht - und da werden wir uns auch entsprechend aufstellen."
Zur Neuaufstellung gehöre auch, das Thema Migration in den Griff zu bekommen. Strack-Zimmermann: "Wir brauchen geordnete Migration in den Arbeitsmarkt, das weiß jeder, wir brauchen aber keine illegale Migration. Denn das sind die Sprengsätze derer, die auch hier zur Wahl gehen. Wir haben es denen zu schwer gemacht, die hier reinkommen wollen, um zu arbeiten und denen zu leicht gemacht, die keinen Grund haben, hier zu sein. Und daran muss sich etwas ändern."
In Frankreich und Österreich zeichnet sich derweil in den Hochrechnungen ab, dass die rechtsnationalen Parteien Rassemblement national und FPÖ jeweils stärkste Kraft in ihrem Land werden.