Die Macht der NGOs wie die selbsternannte "Deutsche Umwelthilfe" (DUH) in Deutschland treibt immer krassere Stilblüten: Wegen nicht erlassener Diesel-Fahrverbote droht Beugehaft für CSU-Ministerpräsident Söder. Kampf Judikative vs. Exekutive auch bei anderen Themen.
von Christian Hiß
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof prüft, ob er CSU-Ministerpräsident Söder in Beugehaft nehmen lassen kann, um die bayerische Landesregierung zur Umsetzung von Dieselfahrverboten zu zwingen. Neues Öl im Feuer des Kräftemessens zwischen Gerichten und Behörden.
Nach der Posse „die Stadt Wetzlar gegen das Bundesverfassungsgericht“, „dem Mordfall Susanna F., die Entführung von Ali B. aus dem Irak“ und die daraus folgenden, drohenden Konsequenzen, der beinahe-Verhinderung der Abschiebung eines verurteilten IS-Anhängers in die Türkei (oder: „Verwaltungsgericht Gießen gegen das Bundesverfassungsgericht“), der Wahnsinn um Sami A. („die Stadt Bochum gegen die Gerichte“), gibt es nun neuen Zoff zwischen den zwei Gewalten Justiz und Exekutive, dieses Mal im Freistaat Bayern.
Weil die bayerische Landesregierung keine Diesel-Fahrverbote umsetzt, prüft der Bayerische Verwaltungsgerichthof (VGH) nun auf, nachdem Zwangsgelder nicht fruchteten, führende Beamte, darunter nicht nur die Verantwortlichen der Regierung von Oberbayern, sondern auch den zuständigen Umweltminister Marcel Huber (CSU) als auch CSU-Ministerpräsident Markus Söder in Haft nehmen zu lassen, dies geht aus einem Schreiben des VGH vom 17.08.2018 hervor, dass dem juristischen Nachrichtenmagazin „LTO“ vorliegt.
Diesel-Fahrverbote: Deutsche Umwelthilfe gegen Bayern, VGH gegen die bayerische Regierung
Die Deutsche Umwelthilfe („DUH“) führt seit Jahren einen juristischen Feldzug gegen den Freistaat Bayern, da dieser sich beharrlich weigert, das EU-Luftreinhalterecht umzusetzen und so eben auch Diesel-Fahrverbote zu verfügen. Bereits 2012 entschied das Verwaltungsgericht (VG) München, dass seitens des Freistaates unverzüglich Maßnahmen zur Einhaltung der EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid ergriffen werden müssen.
Vier Jahre später, 2016 wurde der in die Pflicht genommenen Landesregierung dann ein Zwangsgeld für den Fall angedroht, dass diese nicht bis Juni 2017 keine Maßnahmen zur Luftreinhaltung ergreift. Der Freistaat legte hiergegen Beschwerde beim VGH ein, der VGH entschied jedoch per Beschluss, dass die Landesregierung Diesel-Fahrverbote vorbereiten und im Luftreinhalteplan zu veröffentlichen hat (VGH, Beschl. v. 27.02.2017, Az. 22 C 16.1427).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Bayern muss Diesel-Fahrverbote vorbereiten – sonst droht neben Zwangsgeldern auch Haft
Zuletzt hat dann das VG München den Freistaat Bayern zu einem Zwangsgeld von 4.000,00 Euro verurteilt, weil er die Umsetzung des VGH-Urteils missachtete (VG München, Urt. v. 29.01.2018, Az. 22 C 16.1427 u.a.). Der Freistaat ging darauf erneut in Beschwerde, diese wurde vom VGH jedoch ebenfalls per Beschluss vom 14.08.2018 (Az.: 22 C 18.583 und 22 C 18.667) zurückgewiesen.
Nun soll die Frage, ob auch gewählte Mandatsträger verhaftet werden können, um sie zur Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen zu zwingen, eventuell dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt werden – da sich eine Grundlage für diese Zwangsmaßnahmen im Europa-Recht finden könnte. Deutschland hat wegen des EU-Luftreinhalterechts ohnehin bereits Ärger mit der EU.
Bayern: das Gericht lotet „die Grenzen des Rechtsstaats“ im Übermaß aus Europa-Rechtler: Eine EuGH-Entscheidung pro Beugehaft ist nicht unwahrscheinlich
Der Freistaat dagegen sieht das alles sehr gelassen und stellt sich auf den Standpunkt „[d]ie Drohung mit Zwangshaft für Beamte und Politiker hat im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage und ist daher unverständlich und absurd.“ So Staatkanzleiminister Dr. Florian Herrmann gegenüber „LTO“ und weiter: „Man muss sich schon sehr darüber wundern, wie das Gericht hier die Grenzen des Rechtsstaats im Übermaß auslotet.“
Der Europarechtler und Mitherausgeber der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ (NJW), Dr. Ulrich Karpenstein von der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs, sagte in einem Gespräch mit „LTO“, dass er eine Beugehaft für Ministerpräsident Söder für realistisch hält, sollte der EuGH vom VGH tatsächlich angerufen werden: „Bis vor drei, vier Jahren hätte der EuGH [...] sich an eine so heikle Materie wie die Beugehaft für gewählte Regierungschefs inhaltlich nicht herangewagt. Nach den Entwicklungen in Polen, Rumänien und Ungarn ist das anders.“
Der VGH hat den Verfahrensbeteiligten jedoch zunächst eine Frist zur Stellungnahme bis zum 28.09.2018 eingeräumt. Es bleibt jedenfalls spannend im Freistaat Bayern, aber auch in der Debatte um Diesel-Fahrverbote, den Rechtsstaat und die Spannungen zwischen der Justiz und den Behörden. Wir werden berichten.