In einem Interview mit der FAZ spricht der Historiker Niall Ferguson über die Auswirkungen der Finanzkrise. Seiner Meinung nach geht mit der Krise eine Ära der großen Kredithebel und der exzessiven Schulden zu Ende und es sei unklar, wie tief die Rezession sein wird, oder ob es sogar zu einer Depression kommen wird.
Derzeit sei laut Ferugson kein Ende der Abwärtsspirale in Sicht und die Banken seien aus Vorsicht auch nicht bereit, Ausleihungen zu tätigen. "Nach einigen Schätzungen übersteigen die Verluste inzwischen dasgesamte Eigenkapital aller Banken. Das heißt, es gibt eine generelleInsolvenz des Finanzsystems."
Von der Einrichtung einer "Bad Bank" hält Ferugson nicht viel, weil diesen Job bereits die FED übernommen habe: "Wenn die Banken effektiv insolvent sind, dann sollten sie besser in staatlichen Besitz überführt werden. (...) Die Verstaatlichung darf nur temporär sein, sie muss die Restrukturierung des Systems bringen."
Von dem US-Konjunktur-Programm hält der Historiker hingegen nichts: "Den Kongress zu bitten, 800 Milliarden in vernünftiger Weiseauszugeben, ist so, als würde man eine Gruppe von Alkoholikern bitten,eine Bar vernünftig zu leiten. Ich glaube, das Paket wird kaum oder garkeinen makroökonomischen Effekt haben."
Zu der Frage nach der Möglichkeit von Staatsbankrotten antwortete Ferugson, dass die Staaten ihre Schuldenquote in einer Art und Weise erhöhten, wie es dies seit dem zweiten Weltkrieg nicht gab: "Wir erleben momentan die finanziellen Symptome eines Weltkriegs - ohneden Krieg. Wer jetzt in Regierungsanleihen investiert, tut dies ineiner gefährlichen Zeit."
Was bedeutet das für den Dollar?
Es ist ein schlechtes Zeichen für den Dollar. Ich glaube, er könnte erheblich abwerten. Und dann gäbe es vermutlich den Vorwurf, dass die Amerikaner ihre Währung "manipulierten", so wie sie es gerade den Chinesen vorwerfen. Werden dann andere auch versuchen, ihre Währung abzuwerten? In den dreißiger Jahren gab es ein Abwertungsrennen, das die Weltwirtschaftskrise verschärft hat.
Sehen Sie auch die Gefahr einer Welle protektionistischer Maßnahmen?
Das wäre das Albtraumszenario - eine komplette Wiederholung der Geschichte und ein Zusammenbruch der Globalisierung. Das schlimmste Szenario wäre, wenn die Konjunkturprogramme den Finanzbedarf der Staaten so stark erhöhen, dass sie sich nur noch über die Zentralbanken finanzieren können. Die Fed druckt immer mehr Geld, der Dollar wertet ab, es gibt Streit darüber. Dann fordert die öffentliche Meinung protektionistische Maßnahmen, Zölle - es folgen Handelskriege wie in den dreißiger Jahren.
Wie realistisch ist dieses Szenario?
Die Wahrscheinlichkeit dafür schätze ich auf mehr als 50 Prozent.