Damit kann es nach unserer Auffassungkeinen Zweifel daran geben, dass die chinesische Regierung nunmehralles daran setzen wird, sich aus dieser Falle zu befreien und dieBerge an finanziellem « Giftmüll » aus US-Staatsanleihen und Dollarsabzutragen, die inzwischen schon den Wohlstand Chinas gefährden.
Und natürlich wird niemand, derauszubrechen versucht, so verrückt sein, seine Absicht von allenDächern zu pfeifen. Gerade das Gegenteil wird er machen, um nicht dieAufmerksamkeit der Wächter zu wecken. Nach unserer Auffassung war diechinesische Forderung vom 24. März nach der Schaffung einer neueninternationalen Leitwährung sowohl eine Sondierung als eine Warnung.Zum einen sollte sondiert werden, wie aufgeschlossen die Teilnehmer amG20-Treffen der Idee gegenüber wären, die post-Dollar-Ära einzuleiten,ob es eine Möglichkeit gebe, diese Idee zu verwirklichen (1); zumanderen sollten alle Akteure auf den globalen Finanzmärkten gewarntwerden, dass nun die Bereitschaft Chinas zur Finanzierung desUS-Lebensstils erschöpft sei.
Zwei Schätzungen über die Entwicklung der chinesischen Währungsreserven(in Milliarden Dollar) - Quellen : chinesische Zentralbank / BradSetser, 01/2009
Was aber letztendlich von dieser Aktion der Chinesen bleibt, ist, dasssie vier interessante Erkenntnisse gewinnen konnten:
1. Viele der anderen Mitglieder desG20 unterstützen ausdrücklich die Idee eines schnellen Übergangs (4) ineine Post-Dollar-Ära, insbs. Russland, Indien, Süd-Afrika, Argentinienund Brasilien. Bei seinem „Großen Sprung nach vorn(5) “ in die Post-Dollar-Zeit wäre China nicht isoliert, sondernvielmehr in guter und zahlreicher Begleitung von südamerikanischen,afrikanischen und asiatischen Staaten. Im übrigen hat der Abschlussvieler Swap-Verträge in Yuan mit mehreren dieser Länder bereits dasTerrain gut vorbereitet (6).
2. Die US- und die britischeRegierung sträuben sich gegen einen Übergang in eine Post-Dollar-Zeit.Der dumme Fehler, den US-Finanzminister Geithner machte, als ereinräumte, man könne über den chinesischen Vorschlag reden, wurde vonden anderen US-Regierungsmitgliedern zwar schnell wieder ausgebügelt;aber dennoch gab er Peking einen Einblick in eine interessanteKonstellation: Da Geithner einer der Schlüsselfiguren der Wall Streetin der Obama-Mannschaft ist, zeigt seine Reaktion, dass derangelsächsische Finanzsektor zu allem bereit wäre, sogar zu einerAufgabe der Dollar-Dominanz, solange sie nur ihre finanziellenPrivilegien behalten können.
3. Die Europäer (ohne die Briten)blieben ihrem Ruf gerecht und also unfähig, sich von der Dominanz ihrerehemaligen Schutzmacht USA zu emanzipieren (8). Sie fühlen sich starkgenug, den US-Vorgaben nicht mehr zu folgen; aber sie sind zu schwach,um auf des Pudels Kern vorzustoßen, weil sie den Konflikt mit den USAscheuen.
4. Mit seinen Vorstößen sondiertPeking immer präziser das Terrain. Die chinesische Regierung muss dabeinoch nicht einmal immer selbst dafür das Wort ergreifen. Häufigübernehmen dies auch Wissenschaftler, die man den Regierungskreisennahe weiß oder Banker. Aber immer werden die chinesischenVerlautbarungen von der internationalen Presse aufgegriffen undverbreitet. Damit genießt Peking einen Zugang zur öffentlichenMeinungsbildung, der enorm ist und China einen entsprechenden Spielraumverschafft. Denn in Währungsfragen sind Äußerungen der maßgebendenStellen von immenser Bedeutung. Peking kann somit Einfluss entwickeln,ohne dabei den Wert der US-Staatsanleihen oder des US-Dollars unterDruck zu setzen.
Dieser letzte Punkt ist vonüberragender Bedeutung für die chinesische Regierung. Der Dollar darferst dann abstürzen, wenn den Chinesen gelungen sein wird, sich aus derDollarfalle zu befreien. In den nächsten Monaten wird sichherausstellen, wie wichtig ihnen der Werterhalt ihrer Dollaranlagenist. Falls es ihnen in erster Linie und ausschließlich darum geht, dannhaben Washington, London und die internationalen Finanzmedien Recht:Peking wird sich im wesentlichen dem Willen der USA beugen und damitbegnügen, seinen Einfluss auf die US-Entscheidungen zu erhöhen. WennPeking aber für das Entkommen aus der Dollarfalle bereit ist, Verlustebei seinen Währungsreserven hinzunehmen, dann haben wir Recht.
Entwicklung der chinesischen Käufe von US-Anlagewerten und die nachAnlagekategorien (Grün: Staatsanleihen und Einlagen / Blau: GSE(Fannie, Freddie…) / Gelb : Aktien und Unternehmensanleihen / Rot:jährliche Schätzungen der Reserven) - Quelle: CFR
Unsere Vorhersage zu den Absatzbewegungen der Chinesen aus dem Dollarstützt sich auf die Entwicklungen der letzten Monate, die unsereAnalysen bestätigen. Denn seit Ende 2008 haben die Chinesen jeden Monatzwischen 50 und 100 Millarden ihrer US-Währungsreserven abgestoßen. Sienutzten die historisch niedrigen Preise für Anlagevermögen, um Minen,landwirtschaftliche Flächen, Energie, europäische und asiatische Aktienund Unternehmensbeteiligungen zu kaufen. Peking setzt alles daran, seinVermögen zu schützen, indem es seine US-Anlagen abstößt und dafürVermögenswerte kauft, die ohne Bezug zu Amerika stehen. Die chinesischeAbhängigkeit vom Dollar nimmt damit jeden Tag weiter ab.
Dies alles spielt sich inbeeindruckender Geschwindigkeit ab. Natürlich wird alles daran gesetztwird, diese Vorgänge unbemerkt abzuwickeln, da sonst der Dollarabstürzen würde, bevor China ausreichend Dollarreserven abgestoßenhätte. Jedoch gelang Brad W.Setser und Arpana Pandey eine Übersichtüber die bisher nicht bekannte Zusammensetzung der chinesischenWährungsreserven zu erstellen.
Oben : Entwicklung der chinesischen Währungsreserven und der Anteil derUS-Werte Unten : Entwicklung der gleichen Werte in Prozent - Quelle :BCA Research, 12/2008
Da die riesigen Dollar-Reserven den den Handlungsspielraum derchinesischen Regierung gegenüber der US-Regierung beschneiden, ohne fürdie chinesische Bevölkerung oder das Land noch so nützlich zu sein wiedies bei der Anhäufung geglaubt wurde, unternimmt Peking konsequenterWeise alles, um sich so schnell wie möglich von seinen riesigenWährungsreserven zu trennen.
Was sein Kaufverhalten derUS-Staatsanleihen angeht, kauft China immens weniger als früher (dieAnlagesumme ist im ersten Quartal 2009 von 153,7 Milliarden USD imersten Quartal 2008 auf 7,7 Milliarden Dollar zurück gegangen (15)),und nur solche mit kurzen Laufzeiten (3 Monate) (16).
Da die Chinesen kaum mehr neueStaatsanleihen kaufen und gleichzeitig weltweit auf Einkaufstourgegangen sind, deren Rhythmus auch noch schneller zu werden beginnt undinzwischen Summen von mehr als 50 Milliarden Dollar/Monat erreicht(wenn man die Swap-Abkommen dazu zählt), wird es den Chinesen von Ende2008 bis Ende Sommer 2009 gelungen sein, mehr als 600 Milliarden Dollarseiner Dollar-Währungsreserven abzustoßen. In der gleichen Zeit bleibendie USA auf zwischen 500 und 1000 Milliarden neuer Staatsanleihensitzen, die ihnen früher die Chinesen abgenommen hätten und für die sienun neue Käufer auf den internationalen Finanzmärkten finden müssen,wenn sie weiterhin ihre ungeheuren Defizite finanzieren wollen.
Als Ben Bernanke vor einigen Wocheneinräumte, dass die US-Zentralbank US-Staatsanleihen aufkaufe, verlorder Dollar 10% an Wert gegenüber den anderen großen Weltwährungen. Fürdie Chinesen bedeutete dies einen Verlust von 170 Milliarden Dollar.Spätestens dann müssen sie ihre Abhängigkeit von der Wertentwicklungdes Dollars schmerzlich gespürt und ihre Exponierung gegenüberverantwortungsloser US-Wirtschafts- und Finanzpolitik erkannt haben.Wenn eine unbedachte Bemerkung Ben Bernanke schon so teuer kommen kann,dann dürfte für die Chinesen ein Preis von 400 oder 500 MilliardenDollar für das Entkommen aus der Dollarfalle und damit derUS-Abhängigkeit akzeptabel erscheinen.
Wir jedenfalls gehen davon aus, dass die Chinesen bis Ende Sommer ihreUS-Währungsreserven soweit geleert haben werden, wie ihnen das möglicherschien. Anschließend können sie beruhigt den Dollar seinem Schicksalüberlassen. Nach der Flucht aus der Dollarfalle werden die Chinesensich daran machen, die Dollardominanz im internationalen Währungssystemzu brechen. In welcher Form ihnen das gelingen wird, wird sehr starkvon den Positionen der anderen wichtigen Staaten abhängen: Entwederwerden die Chinesen versuchen, den Yuan neben dem Euro, dem Yen, demRubel und dem Real als weitere internationale Reservewährung zuetablieren, oder sie werden sich verstärkt an der Schaffung einer neueninternationalen Korbwährung mit genau diesen Währungen beteiligen.
(1) In den Unterhaltungen auf den Fluren des Londoner G20 war diePost-Dollar-Ära ein ganz wichtiges Thema. Da kann es keinen Zweifeldaran geben, dass die Verlautbarung der chinesischen Zentralbank imMittelpunkt der relevanten Diskussionen während und nach dem LondonerGipfel standen, auch wenn diese selbstverständlich nicht derMedienberichterstattung zugänglich waren.
(2) Im übrigen hat die chinesischeRegierung eine Denkfabrik zur weltweiten Wirtschaftskrise gegründet,die sie bei ihren Entscheidungen beraten soll. Für uns ist das einZeichen dafür, dass in China der Wille besteht, sich in derKrisenbewertung unabhängig von den Analysen aus Amerika undGroßbritannien zu machen, die bisher bis zu 90% die intellektuelleBasis der Arbeiten der chinesischen Experten darstellten. AuchLEAP/E2020 kann diesen Trend anhand der vermehrten Besuchen auf seinerWebseite aus China (und auch Japan) sowie der zahlreichen Übersetzungenseiner Pressemitteilungen auf Webseiten und Blogs feststellen. Quelle: ChinaDaily, 21/03/2009
(3) Heute wissen alle großen Marktteilnehmer, dass die Kapitalströmedie USA verlassen, also gerade zu einem Zeitpunkt, wo dort der Bedarfan ausländischen Geldzuflüssen enorm ist, um die US-Defizite zufinanzieren. Im Januar 2009 übertrafen die Geldabflüsse die Zuflüsse um150 Milliarden Dollar. Quelle: US-Finanzministerium, 16/03/2009.
(4) Wir gehen davon aus, dass die Zeitspanne, um die es hier geht, sichin Monaten und nicht in Jahren bemißt, wie einige der Experten glaubenmachen wollen, die inzwischen « einräumen », dass die aktuelle Dominanzdes Dollars im internationalen Währungssystem ein Problem darstelle.
(5) Der erste chinesische « GroßeSprung nach vorn » gegen Ende der fünziger Jahre hatte katastrophaleNebenwirkungen, weil viele Millionen Chinesen an der dadurchverursachten Hungerkatastrophe starben. Aber warum sollte die aktuelleHerrscherriege in der Chinesischen Kommunistischen Partei nicht bereitsein, ein solches Risiko einzugehen, wenn dies der Preis wäre, um ihreMacht und ihr System zu sichern? Die amerikanischen und europäischenExperten, die sich anmaßen zu wissen, wie die chinesische Regierungdenkt, begehen den dummen Fehler, ihre Denkweisen auch bei den Chinesenvoraus zu setzen. Für uns ist aber klar, dass der Beginn einerPost-Dollar-Zeit (ob dies nun organisiert in Form der Schaffung einerKorbwährung geschieht, oder chaotisch in Folge eines brutalenAusscherens aus den Dollar dominierten globalen Finanzmärkten) vorallen Dingen der Beginn einer Zeit ist, in der der „Westen“ seinebesondere globale Bedeutung einbüßt. Die Welt, die dann entstehen wird,wird vielen Intellektuellen, die Europa und den Westen für den Nabelder Welt halten, sehr fremd sein. Wer dies nicht glauben mag, denverweisen wir auf die bezeichnenden Aussagen des Chefs der chinesischenZentralbank über die „Überlegenheit des chinesischen Systems“. Quelle: MarketWatch, 26/04/2009
(6) Nach Süd-Korea, Malaysia und Indonesien hat nun gerade Argentinien ein Swap-Abkommenmit China für einen Vertragswert von 14,5 Milliarden Dollar in ihrenjeweiligen Landeswährungen abgeschlossen. Mit Hilfe dieses Abkommensbenötigen die beiden Länder für ihren Warenaustausch keine US-Dollarmehr; darüber hinaus wird die Position des Yuans auch außerhalb Asiensals internationale Währung gestärkt. Quelle: AustralianNews, 01/04/2009
(7) Dieser Artikel der Los Angeles Times,vom 03/04/2009 ist einer der objektivsten zu diesem Thema. Abervielleicht, weil China näher am Sunset Boulevard als am Beltway (alsSynonym für das politische Washington) liegt.
(8) Wir schreiben hier von der «ehemaligen Schutzmacht » weil der Nato-Gipfel wieder einmal gezeigthat, dass die Europäer und die Amerikaner in der Gefahrenanalyse nichtmehr übereinstimmen. Der Afghanistan-Krieg wird immer mehrausschließlich von den Amerikaner geführt, während die Europäerprioritär ihre Beziehungen zu Russland neu und besser ordnen möchten.Letztlich ist die Nato (mit nunmehr Frankreich als zurückgekehrtemVerlorenen Sohn, eine Entwicklung, die wir schon bei der Wahl vonSarkozy vorher sagten) wie ein Rentnerverein, dessen gemeinsames Zieldarin besteht, dass sich die Mitglieder die Zeit vertreiben, und denSchein aufrecht zu erhalten, dass das Leben noch so wäre wie vor 60Jahren. Aber „das Alter ist ein langer Schiffbruch“, um Charles deGaule zu zitieren.
(9) Eine de fakto irrealistische Idee, denn die Bedeutung der Sonderziehungsrechte DTS haben die USA schon vor 40 Jahren weitest möglich reduziert. Damit dieIdee einer alternativen Leitwährung Erfolg haben kann, muss ein Projekteiner vollkommen neuen Währung aufgelegt werden. Auch würde der Name„Sonderziehungsrechte“ sicherlich wenig zu ihrer Popularität außerhalbder Kreise der Währungsspezialisten beitragen.
(10) Wobei sie keinen Zweifel daranlassen werden, dass die USA ihre Währung selbst vernichtet haben:Exorbitante Defizite, anhaltende Wirtschaftsflaute… Ende 2009 wird esan Gründen nicht mangeln.
(11) Indiesem Zusammenhang weisen wirdarauf hin, dass nach unserer Auffassung trotz der gegenteiligenenthusiastischen Beteuerungen der chinesischen Regierung diewirtschaftliche Lage in China sich im folgenden Jahr nicht wesentlichverbessern können wird. Angesichts des Exportseinbruchs, einesbevorstehenden Platzens der Immobilienblase und einer wachsendenArbeitslosigkeit wird das chinesische BSP 2009 wohl stagnieren oder nurmoderat zwischen 2% und 3% wachsen. Das kann nur dazu führen, dassPeking alles daran setzen wird, von der Politik abzugehen, die China indiese Sackgasse geführt hat… und derjenige, den man für dieSchwierigkeiten verantwortlich machen kann, ist schnell gefunden.Quellen: Financial Times, 13/04/2009; Chinaview, 02/04/2009; New York Times, 02/04/2009; ChinaDaily, 19/03/2009
(12) Das Rating AAA für die US-Anleihen ist wirklich ein Witz, wie es auch richtig in diesem Artikel in SeekingAlpha vom 30/03/2009 beschrieben ist. Das ganze Land, von Unternehmen überPrivathaushalte, öffentliche Einrichtung etc. steht vor dem Bankrottund verdient eine junk bond-Einstufung, aber der Bund soll weiter überjede Insolvenzzweifel erhaben sein? Die Rating-Agenturen (alleUS-Unternehmen) revanchieren sich somit für die 400 Millionen Dollar,die sie von der Bundesregierung erhalten haben als Gebühren für ihreMithilfe bei der Bestimmung der Wert der toxischen Wertpapiere, die derBund den Banken für 1000 Milliarden Dollar abzukaufen gedenkt.Natürlich hatten genau diese Agenturen vor gerade einmal zwei Jahrenfast alle diese nunmehr toxischen Werte mit AAA eingestuft. Aber Pekingwie auch der Rest der Welt hat inzwischen sehr wohl verstanden, dassbezüglich dieser Werte ein organisierter Betrug am Laufen ist. Quelle: BusinessInsider, 07/04/2009
(13) Quelle: MarketWatch, 12/04/2009
(14) Quelle: ChinaDaily, 12/04/2009
(15) Quelle: ChinaDaily, 11/04/2009
(16) Wie Brad Setser ausführt: 2008 war China für beinahe die Hälfteder ausländischen Käufe der US-Staatsanleihen verantwortlich.