Haben deutsche Architekten und Ingenieure ihre Weltklasse verloren? Immer mehr Großprojekte werden nicht rechtzeitig fertig und kosten zudem mehr als geplant. Doch es gibt gute Gründe, die Schuld nicht schwerpunktmäßig bei der Baubranche zu suchen.
von Rebecca Bellano
Ob der Flughafen in Berlin, die Elbphilharmonie in Hamburg, der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin, die Waldschlösschenbrücke in Dresden oder der Landtag in Potsdam: Überall ist von Baukostensteigerung und Zeitverzögerungen die Rede. Deutschland, dass schließlich nicht nur als Land der Dichter und Denker, sondern auch der Ingenieure weltweit berühmt wurde, ist offenbar nicht mehr in der Lage, Großbauvorhaben erfolgreich nach Plan umzusetzen.
Doch die Frage der PAZ, was mit Deutschlands Architekten und Ingenieuren los ist, wehrt Herbert Barton, Hauptgeschäftsführer des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure, ab. Erstens würde in den Medien gar nicht über die vielen anderen Bauvorhaben, bei denen alles planmäßig im Hinblick auf Planungen, Kosten und Fristen verläuft, berichtet und zweitens sei es schon auffällig, dass jene großen Bauvorhaben, bei denen alles aus dem Ruder läuft, öffentliche Bauvorhaben seien. Diese nicht von der Hand zu weisende Feststellung erklärt Barton mit dem Hinweis, dass geringe fachliche Kompetenz in den Bauverwaltungen der öffentlichen Auftraggeber immer wieder dazu führe, dass diese ihrer Bauherrenfunktion nicht immer gerecht werden würden. Barton ist überzeugt, dass wenn die Verwaltungen mit Architekten und Ingenieuren als Fachleute besetzt wären mehr mit qualifizierten Ingenieur- und Architekturbüros zusammenarbeiten würden, Fehlplanungen wie in der letzten Zeit nicht mehr auftreten würden. „Es gilt und bewahrheitet sich immer wieder: Wer billig plant, baut teuer!“, so der Volkswirt, der aber fast sein ganzes Berufsleben in der Baubranche tätig war.
Und schaut man sich die genannten Fälle an, so scheint Bartons Theorie durch die Realität bestätigt zu werden. In Potsdam streiten sich die Politik und der beauftragte Generalbauträger BAM gerade über die Mehrkosten für Sonderwünsche des Auftragsgebers beim Neubau des Landtags. So habe das Finanzministerium über 100 Änderungswünsche am laufenden Bau geäußert. Jetzt ist die Rede von 18,4 Millionen Euro Mehrkosten, die das Land aber nicht übernehmen will. Ein Schiedsgutachten soll nun klären, wer welche Kosten zu übernehmen hat. Zudem will Finanzminister Helmut Markov („Die Linke“) im Herbst 2013 in den Neubau ziehen, doch die BAM meint, das Gebäude sei erst im Mai 2014 bezugsbereit.
Und auch bezüglich der Dresdner Waldschlösschenbrücke herrscht Zwist zwischen Baubürgermeister Jörn Marx und der Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen. Dort geht es vor allem darum, dass die Stadt die Kosten zum Teil nicht bezahlen will. Nun verzögert sich der Bau aus verschiedenen Gründen, doch die Baufirmen wollen keine zusätzlichen Arbeiter auf die Baustelle schicken, wenn sie nicht dafür entlohnt werden. Hierzu ist die Stadt nicht bereit und klagt gegen vorhandene Rechnungen in Höhe von zwei Millionen Euro vor dem Oberlandesgericht. Vor dem Landgericht hatte sie bereits aus formalen Gründen in erster Instanz verloren.