Weltweit herrschen Rezessionsängste. Die Prognosen für die Wirtschaft sind negativ. Trotzdem steigen Börsen global. Sogar China. Wie passt das zusammen?
DAX: Seit Januar kräftig rauf
Börsen-Zeitung: "Beeindruckende Aktien-Rally"
Kommentar zur Börsenentwicklung von Christopher Kalbhenn
Auch das sich weiter eintrübende Konjunkturbild des Euroraums scheint den Aktienmarkt derzeit nicht von seiner Aufwärtsbewegung abbringen zu können.
Trotz der Bekanntgabe eines heftigen Einbruchs der deutschen Auftragseingänge im Februar und Meldungen, wonach Italien seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf nur noch 0,1% reduzieren soll, hat der Dax zum Auftakt des zweiten Quartals an seine prächtige Performance der ersten drei Monate diesen Jahres angeknüpft. In der abgelaufenen Woche ist der Index über die Schwelle von 12.000 Zählern bis auf 12.029 Punkte gestiegen, womit sich seine Gewinne seit dem Jahresbeginn auf bis zu 14% summieren.
Noch beeindruckender fällt die bisherige Jahresbilanz auf globaler Ebene aus.
Wie Bank of America Merrill Lynch ausgerechnet hat, beläuft sich die annualisierte Performance der Aktienmärkte seit Jahresbeginn auf 67,9%, mit denen sogar der bisherige Rekord aus dem Jahr 1933 geschlagen wurde. Und die Rohstoffe haben mit annualisierten 84,8% ebenfalls ihre alte Bestmarke des Jahres 1973 übertroffen.
Zu erklären ist die Entwicklung zum einen mit der sehr schwachen Entwicklung der Aktienmärkte im von übertriebenen Rezessionsbefürchtungen geprägten vierten Quartal, die für entsprechendes Korrekturpotenzial nach oben sorgte. Zweitens ist die Wunschliste, welche die Anleger zum Markttiefpunkt am 24. Dezember dem Weihnachtsmann übergeben haben, seit dem Jahreswechsel Zug um Zug abgearbeitet worden.
Der Handelskonflikt zwischen China und den USA, der die Märkte lange gelähmt hat, nähert sich einer verträglichen Lösung, möglicherweise wird etwas Ähnliches auch für das Brexit-Chaos folgen. Zudem haben sich die weltwirtschaftlichen Perspektiven zuletzt ein wenig aufgehellt. So haben die chinesischen Einkaufsmanagerindizes gedreht, was Hoffungen schürt, dass die monetären und fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen zu greifen beginnen.
Davon würde nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft profitieren, und darum steigt auch der Dax trotz der schwachen Daten zum Auftragseingang im Februar. Dritter im Bunde ist die globale Geldpolitik, insbesondere der Kursschwenk der amerikanischen Notenbank Fed und die Verschiebung einer ersten Leitzinsanhebung durch die EZB auf das kommende Jahr.
Das hat aus Sicht der Aktienmärkte zwei positive Effekte. Zum einen bleibt der relative Bewertungsvorteil von Dividendentiteln zu Zinsanlagen bis auf Weiteres erhalten. Zum anderen hat sich die Sorge verflüchtigt, dass die Fed die Konjunktur durch ein zu schnelles Zinserhöhungstempo abwürgen könnte.
Das veränderte geldpolitische Umfeld ist aus Sicht der Aktienmärkte aber auch ein zweischneidiges Schwert und verdeutlicht, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen können.
Es reflektiert die Tatsache, dass sich die Weltwirtschaft in den kommenden Quartalen zwar möglicherweise wieder etwas beleben wird, letztlich aber das Wachstum in diesem Jahr zurückgeht. Außerdem bleibt es dabei, dass sich der Konjunkturzyklus in einem späten Stadium befindet und über kurz oder lang der fällige Abschwung kommen wird, vielleicht 2020 oder im übernächsten Jahr.
Zudem ist die Aufhellung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds durch die Rally der zurückliegenden Wochen zu einem großen Teil bereits in den Kursen eingearbeitet. Es wäre vor diesem Hintergrund nicht weiter verwunderlich, wenn auf den erreichten Höhen zumindest eine Konsolidierung folgen würde.
Die von Frühindikatoren geschürten Hoffnungen müssen erst noch bestätigt werden. Zudem könnten von der bald beginnenden Berichtssaison zum ersten Quartal Risiken ausgehen. Denn in den Zahlen der Unternehmen wird sich die wenig berauschende realwirtschaftliche Entwicklung der ersten drei Monate widerspiegeln. Ob das durch etwas mutigere Ausblicke der Unternehmen zumindest teilweise kompensiert werden kann, ist zurzeit nicht absehbar.
Ohnehin gehen Experten davon aus, dass die Konsenserwartungen für das Wachstum der Unternehmensgewinne im laufenden Jahr weiteren Abwärtsrevisionsbedarf haben. Dieser könnte im Zuge der Quartalsberichtssaison realisiert werden.
Derzeit wird für den aggregierten Dax-Gewinn je Aktie nach 11% zur Jahreswende noch ein Wachstum von rund 8,5% erwartet. Gut möglich, dass sich die Konsensprognose in den nächsten Wochen auf eine Größenordnung zubewegt, die eher bei 5% liegt.