Die Wirtschaftsdaten sind schlecht. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist auf den niedrigsten Wert seit November 2012 gefallen. Auch alle anderen Indikatoren (ZEW) negativ. Hinzu kommt der Handelskrieg mit China.
von Sven Weisenhaus
HSBC: Neue US-Zölle bremsen Chinas Wachstum um 0,6 Prozentpunkte
Nachdem die chinesische Regierung am Freitag angekündigt hatte, auf die von den USA ab September in Kraft tretenden zusätzlichen Zölle mit Vergeltungszöllen zu reagieren (siehe auch Börse-Intern von Freitag), antwortete US-Präsident Donald Trump wiederum mit einer Erhöhung der Zollsätze auf chinesische Güter von 25 % auf 30 % für die Güter in einem Handelsvolumen von rund 250 Milliarden USD ab 01.10.2019 sowie von 10 % auf 15 % für die weiteren Produkte in einem Gesamtvolumen von rund 300 Milliarden ab 01.09.2019 bzw. 15.12.2019.
HSBC schrieb gestern dazu, die neuen US-Zölle „dürften das Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik um mindestens 0,6 Prozentpunkte abbremsen“. Bereits am 15. Mai war hier in der Börse-Intern zu lesen, dass durch die bis dato eingeführten bzw. angekündigten Zölle laut Berechnungen von HSBC „das Wachstum Chinas in den kommenden zwölf Monaten [...] um 0,4 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird“ (siehe „Wie schlimm kann der Handelsstreit für die Wirtschaft werden?“).
Insgesamt sollte das Wachstum Chinas demnach also inzwischen um einen ganzen Prozentpunkt gebremst werden. Das Wachstumsziel der chinesischen Regierung von 6 % bis 6,5 % für das Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2019 dürfte damit eigentlich nicht mehr zu halten sein.
Langsam wird der Handelsstreit für die Wirtschaft schmerzhaft
Und wenn sich die Eskalationsspirale noch weiter dreht und die bis September noch unverzollten Produkte im Gegenwert von rund 300 Milliarden Dollar zukünftig sogar mit 25 % verzollt würden, würde dies die Wirtschaftsleistung der Volksrepublik noch einmal ca. 0,5 Prozentpunkte abbremsen.
Wir kommen also durch die weitere Eskalation im Handelsstreit so langsam zu einem Punkt, an dem es für die chinesische Wirtschaft wirklich schmerzhaft wird – und damit natürlich auch für die globalisierte Weltwirtschaft. Dies sollte eigentlich auch die Aktienmärkte weiter belasten, was natürlich vor allem auch für den stark exportabhängigen DAX gilt.
ifo-Geschäftsklimaindex fällt auf niedrigsten Wert seit November 2012
Es besteht daher die Gefahr, dass mit den Kursverlusten seit Ende Juli die bisher nur mäßige Kurserholung im DAX bereits ein Ende gefunden hat. Zumal auch die Unternehmen in Deutschland immer pessimistischer in die Zukunft blicken.
So ist der ifo-Geschäftsklimaindex laut der gestrigen Meldung von 95,8 auf 94,3 Punkte im August weiter gefallen – zum 5. Mal in Folge und auf den niedrigsten Wert seit November 2012. Und die Unternehmen schätzten sowohl ihre aktuelle Lage (97,3 nach 99,6) als auch die Perspektiven für die kommenden Monate (91,3 nach 92,1) schlechter ein.
Unter den Industriefirmen war ein ähnlicher Pessimismus zuletzt nur im Krisenjahr 2009 zu beobachten. Und diese schlechte Stimmung steckt inzwischen auch immer stärker den Dienstleistungsbereich an. Hier hat sich das Geschäftsklima ebenfalls merklich verschlechtert.
Damit verdichten sich die Anzeichen für eine Rezession in Deutschland, auch wenn der Zeiger der ifo-Uhr bislang noch nicht im Rezessions-, sondern noch lediglich im Abschwung-Quadranten steht.
Denn eine Trendwende oder Besserung ist nicht in Sicht. Zumal die jüngste Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China (chinesische Gegenmaßnahmen und amerikanische Vergeltung für die chinesische Vergeltung) im gestern veröffentlichten ifo-Umfrageergebnis und auch in den jüngsten Einkaufsmanagerdaten (siehe „Handelsstreit zeigt weiterhin Bremsspuren in der Wirtschaft“) noch gar nicht enthalten ist.
DAX-Erholung ist fundamental kaum zu erklären
Die Kurserholung des DAX, die Ende 2018 begann, lässt sich daher weiterhin nicht mit den fundamentalen Entwicklungen erklären. Zwar ist der DAX ein Frühindikator, so dass die Kurserholung des Index auf eine zukünftige Erholung der Wirtschaft hindeuten könnte, doch der ifo Geschäftsklimaindex ist auch ein Frühindikator, und dieser tendiert eben noch klar abwärts.
Die Schere zwischen beiden klafft daher weiterhin auseinander (siehe auch Börse-Intern vom 30. Juli). Auch daher besteht das Risiko, dass die Ende 2018 begonnene Kurserholung im DAX lediglich eine Gegenbewegung war und mit den Verlusten seit Ende Juli beendet sein könnte.
Das sind die wichtigsten Marken im DAX für die kommenden Tage
Dieser Eindruck ändert sich erst, wenn dem DAX der Anstieg über die kurzfristig sehr wichtige Rechteckgrenze bei 11.880 Punkten gelingt und er sich aufmacht, dann auch noch die weiteren Hürden zu überwinden, die ihm kurzfristig im Weg liegen (siehe „Welche Hürden der DAX inzwischen zu überwinden hat“).
Erfolgt dies mit hoher Dynamik, könnten sich die Bullen sogar eine Art inverse Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS) im kurzfristigen Bereich zu Nutze machen. Die Mittellinie bei 12.235 Punkten sollte dann problemlos zügig erreicht werden. Das Kursziel dieser Formation läge sogar im Bereich des alten Allzeithochs (rote Linie). Wirklich bullish wird es aber natürlich erst, wenn die 12.590er Marke und damit auch die Jahreshochs nachhaltig nach oben aufgelöst werden.
Fällt der DAX aber unter die Mittellinie bei 11.525 Punkten und sogar unter die 11.500er Marke, ist das Szenario der inversen SKS hinfällig. In diesem Fall sollten Sie mit einem neuen Korrekturtief rechnen. Beim Bruch der Rechteckgrenze bei 11.170 Punkten wird es deutlich bearisher.
www.stockstreet.de