Der vom Land Berlin geplante Mietendeckel würde laut eines neuen Gutachtens gleich mehrfach gegen das Grundgesetz verstoßen.
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, kommt in der Arbeit, über die die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben) berichten, zu dem entsprechenden Ergebnis. Im September war Papier in einem ersten Teil seines Gutachtens schon zu dem Schluss gekommen, dass die Bundesländer überhaupt nicht über die Zuständigkeit verfügen, einen Mietendeckel zu verabschieden.
Nun legt der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident in einem zweiten Teil - ebenfalls im Auftrag des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen - nach: Der Mietendeckel sei auch materiell verfassungswidrig.
Laut Papier ist das geplante Instrument unvereinbar mit dem Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes und greife unverhältnismäßig in das im Grundgesetz Artikel 14 geregelte Eigentumsrecht ein.
Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sieht Papier in mehreren Punkten begründet. So unterscheide der Mietendeckel nicht zwischen Vermietern, die bisher gemäßigt gehandelt haben und solchen, die bereits deutlich überhöhte Mieten angeboten haben. "Die gesetzliche Regulierung soll zwar eigentlich Wohnungskonzerne oder Immobilienspekulanten treffen. In Wirklichkeit bekommen aber vor allem `kleine Vermieter` die Folgen dieser Regulierung zu spüren", schreibt Papier.
Auch werde nicht differenziert, ob die Mieteinnahmen die essentielle Lebensgrundlage der Vermieter bilden. Zudem weist der Staatswissenschaftler auf eine Berlin-spezifische Problematik hin: Der Wert von Immobilien unterscheide sich zwischen West- und Ost-Berlin.
Auch hier liege keine Differenzierung beim Mietendeckel vor. Gegen das Eigentumsrecht verstößt der Mietendeckel dem Gutachten zufolge insofern, als dass die geplanten Mietobergrenzen zu dauerhaften Verlusten bei der Vermietung und damit zu Beeinträchtigungen der Substanz von Wohngebäuden führen würden.
"Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die von Art. 14 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen jedenfalls dann überschritten, wenn die Miethöhenregulierung auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führte", heißt es in dem Gutachten.
Auch die geplante Absenkungsregelung für Mietpreise wird im Gutachten als verfassungswidrig angesehen, da "dieser Eingriff des Gesetzgebers in seiner Schwere einer (Teil-)Enteignung nahezu äquivalent" sei. "Wegen der besonderen Schwere solcher (Teil-)Entziehungen von durch Art. 14 GG geschützten Rechtspositionen müssen an das Gewicht der Eingriffsgründe besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Dem werden die geplanten gesetzlichen Regelungen nicht gerecht", urteilt Papier in seinem 37-seitigen Gutachten.
Damit wäre laut dem 76-Jährigen der Mietendeckel doppelt verfassungswidrig: sowohl formell als auch materiell. GdW-Präsident Axel Gedaschko sieht in dem Rechtsgutachten einen Anlass, dass "der Berliner Senat das politische Vorhaben Mietendeckel beerdigt". Gedaschko sagte den Funke-Zeitungen: "Es kann nicht sein, dass eine gewählte Regierung ihre Bürgerinnen und Bürger sehenden Auges in eine rechtlich unzulässige Situation hineinlaufen lässt, und das bei einem so zentralen Lebensbereich wie dem Wohnen."
Eine andere Auffassung vertritt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds. Ropertz sagte den Funke-Zeitungen: "Es wäre grober Unfug, den Mietendeckel zurückzuziehen, nur weil ehemalige Richter solche Gesetze als nicht verfassungskonform einstufen." Solange es keine anderslautende Rechtsprechung gebe, sei der Mietendeckel legitim.
Ropertz sieht die Bundesländer sogar in der Pflicht, solange "es auf Bundesebene keine wirksame Lösung gibt, um einen überverhältnismäßigen Mietenanstieg zu stoppen."
Foto: Dächer von Berlin-Kreuzberg, über dts Nachrichtenagentur