Die Impfstoffphantasie beflügelt die die Börsen. Auch für den DAX besteht Hoffnung. Wie lange die positive Stimmung anhält ist jedoch fraglich. Auch beim Impfstoff bleiben Fragenzeichen.
von Torsten Ewert
Bereits Ende Oktober erhielt ich eine Leseranfrage, wie es denn mit dem Kursziel des DAX zum November-Verfallstag aussähe. In meiner Antwort ließ ich das offen und verwies darauf, dass sich durch die US-Wahlen und andere absehbare Einflüsse (z.B. der drohende neue Lockdown) die Lage schnell wieder ändern kann.
Das Bild im DAX hat sich komplett gedreht
Und tatsächlich hat sich das Bild im DAX seitdem auch komplett gedreht! Dazu der folgende DAX-Chart:
Nach dem Rückfall aus seiner Seitwärtsbewegung (mittleres Rechteck) konnte der DAX aus klassischer charttechnischer Sicht bis zur Unterkante des unteren, gleich großen Rechtecks fallen. Dieses Ziel hatte er nach wenigen Tagen auch erreicht, drehte dann aber wieder nach oben (siehe grüner Pfeil 1) und sprang kurz danach wieder zurück in das mittlere Rechteck.
Nach einer punktgenauen Bestätigung der alten Rechteckkante (siehe grüner Pfeil 2) schoss er nach der Impfstoff-Erfolgsmeldung sogleich bis zur Oberkante des mittleren Rechtecks nach oben.
Knapp unter der Rechteckkante bei 13.314 Punkten hat der DAX in den vergangenen Tagen konsolidiert. Er verpasste dabei zwar mehrfach die Wiedereroberung des alten grünen Aufwärtstrends (siehe rote Pfeile), bestätigte aber den Sprung über die 13.000-Punkte-Marke und könnte einen neuen Trend (blau gestrichelte Linien etabliert haben (siehe grüner Pfeil 3).
Viele charttechnische Widerstände auf dem Weg nach oben
Aus charttechnischer Sicht ist es schwer vorstellbar, dass der DAX bis zum (kleinen) Verfallstag am Freitag dieser Woche den Ausbruch nach oben schafft. Zumal die Widerstände nach oben dicht gestaffelt sind: Neben der schon erwähnten Rechteck- und Trendkante liegen über dem Septemberhoch auch die noch immer nicht ganz geschlossene große Kurslücke von Ende Februar (grau) und natürlich das Allzeithoch bei 13.795 Punkten.
Bemerkenswert ist aber die Konstellation der gelben Rechtecke. Seine bisherige Seitwärtsbewegung (mittleres Rechteck) hat der DAX sowohl vor als auch nach dem Einbruch vom Oktober mehrfach (fast) punktgenau durchlaufen. Das Kursziel des unteren Rechtecks wurde auch angelaufen.
Die Mittellinie des oberen Rechtecks bei 13.788 Punkten fällt hingegen faktisch mit dem Allzeithoch zusammen. Sie wäre nach der Target-Trend-Methode das „natürliche“ Kursziel des DAX, wenn ihm der Ausbruch nach oben gelingt.
Was sagt die Verfallstagspositionierung dazu?
Die spannende Frage mit Blick auf den Verfallstag ist also, ob die Positionierungen diesem Szenario entgegenstehen. Bei der Antwort kann ich mich kurzfassen: Die Hindernisse, die einem weiteren Anstieg des DAX bis zum Verfallstag im Weg stehen, korrespondieren sehr stark mit den charttechnischen Widerständen. Dazu das folgende Verfallstagsdiagramm:
Bei einem aktuellen DAX-Stand von 13.250 Punkten (siehe grüne Pfeile) steht der DAX schon weit im bullishen Terrain. Das ist insbesondere an der Max-Pain-Kurve im unteren Diagrammteil zu erkennen, in welcher der DAX schon weit auf den blauen „Hang“ (der die Call-Positionen repräsentiert) hinaufgeklettert ist.
Auch im oberen Diagrammteil ist gut zu erkennen, dass der DAX nun nur noch Call-Positionen (blau) vor sich hat. Die Put-Positionen (rot) spielen bis zum Verfallstag wohl keine Rolle mehr. Ein konkretes Kursziel für den DAX gibt es daher nicht.
Bemerkenswert ist aber, dass sich die Verfallstagspositionierung kaum geändert hat, seit der DAX in der vorletzten Oktoberwoche ebenfalls noch in dem mittleren Rechteck notierte. Das zeigen die hellblauen/-roten Balken, die den aktuellen Stand repräsentieren im Vergleich zu den dunkelblauen/-roten Balken, die den Stand vom 23.10. anzeigen.
Warum der DAX de facto freie Bahn nach oben hat
Es gab hauptsächlich einen Aufbau von Call-Positionen, wobei vor allem der Bereich von 13.400 bis 13.600 Punkten von Bedeutung ist (siehe gelbe Markierung im oberen Diagrammteil). Wenn der DAX in den kommenden Tagen diesen Kursbereich ansteuert, könnten die Stillhalter versuchen, diese Positionen aus dem Geld zu halten und den Kurs zu drücken.
Unterstützung erhielten sie dabei sicherlich von den Bären, die an den oben genannten charttechnischen Marken (die mit diesen Positionen korrespondieren) in Aktion treten dürften. Allerdings liegt die Unterkante dieses „Verfallstags-Widerstandsbereichs“ schon oberhalb der alten Seitwärtsbewegung und auch oberhalb der jüngsten Zwischenhochs.
Aber eigentlich hat der DAX nun freie Bahn nach oben, den aus Sicht der Bullen wäre der Ausbruch aus der Seitwärtsbewegung nach oben gelungen, wenn dieser Bereich angelaufen wird. Das würde den Kaufdruck erhöhen.
Es könnte dann sehr schnell zu einem bullishen Impuls bis zum Allzeithoch kommen, der dadurch verstärkt würde, dass die Stillhalter die Calls zwischen 13.400 und 23.600 Punkten absichern müssten.
Eine Trading-Strategie für den Verfallstag
Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Aufwärtsschub ist schwer zu schätzen, da die Widerstände nach oben doch recht massiv sind. Allerdings spricht die jüngste kleine Konsolidierung dafür, dass die Bullen kurzfristig zumindest einen Ausbruchversuch nach oben starten werden.
Da nach unten aus Verfallstagssicht nichts droht, erscheint die sinnvollste Trading-Strategie, sich bei einem Ausbruch nach oben in den Markt ziehen zu lassen und auf die Kraft der Bullen zu vertrauen. Falls denen aber die Puste schnell wieder ausgeht, muss man notfalls schnell wieder raus.
Dabei empfiehlt sich, die jeweiligen Ein- und Ausstiegspunkte häufiger zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das sollte in einem Zeitrahmen geschehen, den Sie auch generell für Ihr Trading bevorzugen.