Mit jedem Dollar, den die US-Regierung für die zusätzlichen Hilfen ausgibt, wächst die Wirtschaft lediglich um 10 Cent. Das dürfte in anderen Ländern ähnlich sein. Droht ein Kollaps des Finanzsystems?
von Sven Weisenhaus
Die Aktienmärkte haben letzte Woche etwas kräftiger nachgegeben. Ein Grund dafür dürften Gewinnmitnahmen gewesen sein. Diese hatten sich zuvor bereits angedeutet.
Denn während Anleger schon eine ganze Weile auf negative Nachrichten nicht mit Verkäufen reagiert hatten, so konnten positive Nachrichten sie zuletzt auch nicht mehr zu weiteren Käufen animieren. Selbst die Meldung, dass Bidens Konjunkturpaket ein Volumen von 1,9 Billionen Dollar haben wird, ging an den Kursen spurlos vorüber.
Sehr viel Geld für Unternehmen, Kommunen, Bürger und die Impfkampagne
Konkret sollen 440 Milliarden Dollar an kleinere Unternehmen und Kommunen fließen, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Und 415 Milliarden Dollar werden laut Bidens Plan in den Kampf gegen das Virus und für die Impfkampagne investiert.
Daneben können sich die US-Bürger noch einmal über Direkthilfen freuen: Dieses Mal sollen 1.400 Dollar fließen, nachdem man sich im vergangenen Jahr bereits auf Einmal-Zahlungen in Höhe von 600 Dollar geeinigt hatte. Und die zusätzliche Arbeitslosenhilfe soll von derzeit 300 auf 400 Dollar pro Woche erhöht und obendrein bis September verlängert werden. Insgesamt sind damit rund eine Billion Dollar an direkten Hilfen für private Haushalte vorgesehen.
Diese erscheinen auch nötig, nachdem sich die Lage am Arbeitsmarkt jüngst wieder eingetrübt hat. Gestern wurde gemeldet, dass in der vorigen Woche 965.000 US-Amerikaner einen Antrag auf staatliche Unterstützung gestellt haben. In der Woche davor waren es „nur“ 784.000.
Und zur Erinnerung: In der Corona-Krise gingen in den USA insgesamt mehr als 22 Millionen Jobs verloren, aber nur gut zwölf Millionen wurden seitdem neu geschaffen.
Sehr viel Geld mit eher bescheidenen Effekten
Experten gehen davon aus, dass dieses Hilfspaket der US-Wirtschaft einen zusätzlichen Wachstumsschub von einem Prozentpunkt verleihen kann. Das klingt zunächst gut, aber man muss dies einmal in Relation zur Investition des Staates setzen: Das Hilfspaket von Joe Biden macht 10 % das US-BIP aus.
Mit jedem Dollar, den Biden bzw. die US-Regierung für die zusätzlichen Hilfen ausgibt, wächst die Wirtschaft lediglich um 10 Cent. Hier stellt sich im Hinblick auf die ausufernde Verschuldung der USA die Frage, ob Kosten und Nutzen noch in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen.
Buy the rumors, sell the Facts?
Die Aktienmärkte konnte dies jedenfalls nicht mehr weiter befeuern. Hier muss man allerdings einräumen, dass die Kurse im Vorfeld dieser Ankündigung bereits ordentlich gelaufen sind und sogar Summen von 3 oder gar 4 Billionen Dollar für das neue Hilfspaket genannt wurden. Mit 2 Billionen hatte die Mehrheit der Marktteilnehmer gerechnet. Und insofern blieben die 1,9 Billionen sogar etwas hinter den mehrheitlichen Markterwartungen zurück.
Einen direkten Zusammenhang zwischen womöglich enttäuschten Anlegern und den heute fallenden Aktienkursen gab es allerdings nicht. Denn bis um 16:00 Uhr (MEZ) präsentierten sich die Aktienmärkte noch recht stabil. Erst dann kam es zu einem stärkeren Kursrutsch. Zu diesem Zeitpunkt war die Meldung über das Konjunkturpaket aber längst durch. Insofern sehe ich hier einfach nur normale Gewinnmitnahmen, die eventuell auch nur „Verfallstagseffekte“ sein können.
Im DAX droht ein Fehlausbruch
Der DAX wurde übrigens zum heutigen Verfallstermin mit einem Kurs von 13.857,72 Punkten abgerechnet. Damit hat die Verfallstagsanalyse von Torsten Ewert mal wieder ziemlich exakt ins Schwarze getroffen. Denn es ist den Stillhaltern tatsächlich gelungen, den DAX in Richtung der größten Call-Position bei 13.800 Punkten zu drücken.
Charttechnisch müssen die Bullen nun direkt zum Gegenangriff übergehen, damit sich die bearishen Signale, die mit dem heutigen Kursrutsch gesendet wurden, nicht entfalten können. Schließlich ist der DAX unter das ehemalige Allzeithoch bei 13.795,24 Punkten zurückgefallen (siehe rote Ellipse im folgenden Chart), womit ein Fehlausbruch mit bearishen Konsequenzen droht.
Und im Detail betrachtet (siehe folgender Chart) hat der DAX die gebrochene Aufwärtstrendlinie der vermeintlichen Keilformation (blaue Linien) von unten getestet und ist danach nach unten abgeprallt.
Damit liegen nun seit dem neuen Allzeithoch ein tieferes Hoch und ein tieferes Tief vor. Dabei kann es sich aber auch bloß um eine simple ABC-Korrektur handeln.
US-Indizes haben sich wieder einmal sehr schnell vom Kursrutsch erholt
Ob die Anleger nach dem heutigen Verfallstermin mit dem Kursrutsch ab ca. 16:00 Uhr eine neue Richtung eingeschlagen haben und sich eine nachhaltigere Tendenz zu Gewinnmitnahmen entwickelt oder die Kursverluste sofort wieder für Schnäppchenkäufe genutzt werden, muss noch abgewartet werden. Aktuell sieht es nach Letzterem aus. Denn insbesondere die US-Indizes haben sich wieder einmal sehr schnell von ihren Kursverlusten erholt.
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