Viele , vor allem neue und unerfahrene Spekulanten sind jüngst an die Börsen geströmt, weil die Kurse scheinbar nur eine Richtung kannten. Das könnte nun vorbei sein.
von Sven Weisenhaus
Letzte Woche wurden von den Anlegern Aussagen des US-Notenbankchefs Jerome Powell bei einer Online-Veranstaltung des „Wall Street Journal“ mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Die Marktteilnehmer hatten sich Antworten auf die Frage erhofft, wie die Notenbank mit dem Anstieg der Anleiherenditen umgehen würde. Doch konkrete Informationen lieferte Powell dazu nicht.
Fed setzt eingeschlagenen Kurs unbeirrt fort
Er sagte mit Blick auf den Arbeitsmarkt lediglich, die Fed sei noch weit entfernt vom Erreichen ihrer Ziele. Da hat er natürlich Recht, was auch die heute veröffentlichten Daten noch einmal bestätigt haben. Demnach ging die Arbeitslosenquote von 6,3 % im Januar auf 6,2 % im Februar nur noch sehr moderat nach.
Die Zahl der neu geschaffenen Stellen lag mit 379.000 zwar deutlich über den Erwartungen von nur rund 200.000, doch wird es bei diesem Stellenwachstum noch sehr lange dauern, bis die durch die Corona-Pandemie verlorenen gegangenen Jobs wieder aufgebaut sind.
In Sachen Inflation sagte Powell, es sei zwar im Zuge einer einsetzenden Konsumwelle nach Abebben der Pandemie mit einem Anziehen der Preise zu rechnen, aber es werde sehr wahrscheinlich bei einem Einmal-Effekt bleiben.
Er rechne nicht damit, dass sich der Preisauftrieb verfestigen werde. Sollte es anders kommen, werde die Fed laut Powell allerdings nicht denselben Fehler begehen wie in den 1960er und 1970er Jahren, als sie zu spät auf den sich aufbauenden Inflationsdruck reagiert habe.
Den Anstieg der Anleihen bezeichnete er zwar als „bemerkenswert“, doch sehe er darin keine „ungeordnete“ Bewegung. Daher gebe es keine Notwendigkeit für die Fed, stärker am Markt zu intervenieren – etwa indem die Wertpapierkäufe forciert würden.
Die Fed kann noch einige Zeit abwarten
Im Grunde hat Jerome Powell damit zum Ausdruck gebracht, dass sich die Erwartungen der Notenbank nicht geändert haben und sie daher unbeirrt ihren geldpolitischen Pfad fortsetzen wird.
Änderungen wird es erst geben, wenn sich abzeichnet, dass die Preisanstiege doch stärker und nachhaltiger ausfallen, als es die Fed derzeit erwartet. Doch das wird sich erst in einigen Monaten abzeichnen.
Powell konnte die Märkte nicht einfangen
Aus Sicht des Marktes ist dies eigentlich eine positive Nachricht, weil damit Kontinuität vermittelt wurde und die Angst vor einer steigenden Inflation eigentlich beruhigt worden sein sollte. Doch die Märkte sehen die Inflationsgefahr derzeit scheinbar anders als die Fed.
Und so schraubte sich die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen wieder nach oben und steuerte die 1,6 % an, welche jüngst im Hoch erreicht worden waren. Zeitgleich gaben die Aktien insbesondere in den USA wieder kräftig nach.
Starker Anstieg der Ölpreise erhöht den Inflationsdruck
Belastet wurden die Aktienmärkte dabei zusätzlich von stark steigenden Ölpreisen, da diese den Inflationsdruck weiter erhöhen. Der Ölpreis der Sorte West Texas Intermediate (WTI) notiert inzwischen zum Beispiel bei rund 66 Dollar.
Er hat damit die Hochs aus dem Jahr 2019 und Anfang 2020 erreicht, die das obere Ende einer ehemaligen Seitwärtsrange markieren (oberes gelbes Rechteck).
Mein Kursziel von 60 Dollar wurde damit nun schon um 10 % übertroffen. (Zur Erinnerung: Der Titel meiner letzten Öl-Analyse lautete am 8. Januar „Ölpreis: Nächstes Kursziel 57 USD, dann 60 USD“.)
Und es wird nun spannend, ob sich der starke Anstieg fortsetzt. Dann könnte auch durchaus das Hoch vom Oktober 2018 bei rund 78 Dollar erreicht werden (rote horizontale Linie im folgenden Chart).
Grund für den gestrigen rasanten Anstieg der Ölpreise um zeitweise mehr als 7 %, der sich heute fortsetzt, ist die Aussicht auf eine Verlängerung der freiwilligen Förderkürzungen Saudi-Arabiens.
Das Land hat bei den Beratungen der Organisation Erdöl exportierender Länder und ihrer Kooperationspartner (OPEC+) gestern angeboten, seine Kürzungen von einer Million Barrel pro Tag bis in den April hinein zu verlängern.
Zudem sollen die gesamten Fördermengen der OPEC+, die bei der weltweiten Ölversorgung einen Anteil von rund 45 % hat, im April auf dem momentanen Niveau gehalten werden.
Nur Russland und Kasachstan seien moderate Produktionsausweitungen bewilligt worden. Eigentlich hatte die OPEC+ angesichts der Erholung bei den Ölpreisen über eine Anhebung der Fördermengen um 500.000 Barrel pro Tag diskutiert. Dies soll nun im April bei einem weiteren Treffen über das Vorgehen ab dem Monat Mai erneut besprochen werden.
Ölpreise dürften sich langfristig auf dem aktuellen Niveau einpendeln
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass sich der Ölpreis wieder auf dem aktuellen Preisniveau einpendeln wird, auch wenn er kurzfristig noch weiter steigen kann. Denn ein derart starker Anstieg, wie wir ihn aktuell sehen, könnte die weltweite Wirtschaftserholung bremsen oder gar stoppen, wenn er sich im aktuellen Tempo fortsetzt.
Und dies würde die Nachfrage nach Öl belasten, was dann letztlich auch wieder den Preis drücken würde. Zudem macht ein hoher Ölpreis die Förderung anderer Anbieter attraktiver, die erst ab einem bestimmten Preisniveau rentabel arbeiten können. Dies wird das Angebot erhöhen und die OPEC+ Marktanteile kosten.
Das kann die OPEC+ eigentlich nicht wollen. Und sie wird daher wahrscheinlich im April die Förderbegrenzung zumindest teilweise aufheben, um den Ölpreisanstieg zu stoppen.
Es könnte sich also langsam anbieten, bei Long-Positionen auf den Ölpreis die Gewinne mitzunehmen. Am 8. Januar hatte ich dazu geraten, zur Gewinnsicherung einen Stop-Loss unterhalb der Ausbruchskerze vom 4. Januar zu platzieren. Da dieses Kursniveau seitdem nicht erreicht wurde, kann man die Order nun von etwa 47 Dollar auf rund 60 Dollar anpassen und sich damit weitere Gewinne sichern, wenn Sie alternativ zur direkten Gewinnmitnahme lieber weiterhin mit Stopps arbeiten möchten.
Kommt der Fed eine Marktkorrektur gelegen?
Als Fazit lässt sich sagen, dass Jerome Powell die Märkte letzte Woche nicht beruhigen konnte. Zumal die Inflationserwartungen der Anleger durch die stark steigenden Ölpreise angeheizt werden.
Aber vielleicht wollte er es auch gar nicht. Denn womöglich kommt es der US-Notenbank ganz gelegen, dass sich Dividendenrendite und Anleiherendite angenähert haben und somit erste Umschichtungen aus dem Aktien- in den Anleihemarkt stattfinden. Denn damit bekommt der Aktienmarkt etwas Druck, was die Ausbildung weiterer oder größerer Blasen verhindern dürfte.
Schließlich werden schärfere und größere Rücksetzer bei einzelnen Aktien oder auch dem gesamten Markt einigen Börsenneulingen vor Augen führen, dass der Aktienmarkt keine Einbahnstraße mit Gewinngarantie ist.
Viele Spekulanten sind jüngst auch deshalb an die Börsen geströmt, weil die Kurse scheinbar nur eine Richtung kannten. Wenn nun aber binnen recht kurzer Zeit die Kurse um 10 % oder gar 20 % und mehr nachgeben, dann dürften sich einige Neu-Spekulanten die Finger verbrennen und schnell wieder das Weite suchen.
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