Produktionsstillstand, Pleiten bei den Zulieferbetrieben. Lange Lieferzeiten, Preise für Gebrauchtwagen explodieren - die Umstellung auf Elektro fordert ihren Tribut. Außer Chips könnten in Zukunft auch Kobalt und andere Rohstoffe knapp werden.
von Sascha Opel
Wenn man heute mit Leuten aus der Automobilindustrie spricht, vom Zulieferbetrieb bis zum Autohändler, dann kommt man aus dem Staunen und Kopfschütteln kaum noch raus. Die gerissenen Lieferketten führen zu Marktverwerfungen absurder Art. Von leergefegten Gebrauchtwagenmärkten, die wiederum Folgen des Chipmangel sind (da diese nur in den margenstarken Oberklassewägen verbaut werden und daher im Billigsegment wenig aus der Produktion nachkommt), über verzehnfachte Preise von Mietwagen in den Urlaubsdestinationen (da die alten Fahrzeuge zu hohen Preisen auf dem leer gefegten Gebrauchtwagenmarkt geschmissen wurden und nun die Mietwagenflotten nur langsam wieder gefüllt werden), bis hin zu „Bieterschlachten“ (Motto: wer zahlt mehr?) bei Autohändlern.
Von zahlreichen Pleiten in der Zuliefererbranche ganz schweigen: A-Kaiser GmbH, Heinze Gruppe, Bolta Werke, PWK Automotive, Räuchle GmbH. Die Liste wird immer länger. Stellt eine dieser Firmen ein wichtiges Ersatzteil her, stehen Reparatur– und Unfallwagen zum Teil monatelang in der Werkstatt. Der von der Politik aufgezwungene Corona-Stillstand der ersten Lockdown, rächt sich jetzt.
Hinzu kommt ein Übel der Vertragsgestaltung: Während die Zulieferer ständig Material und Personal vorhalten mussten, um Lieferausfällen und daraus entstehenden Schadensersatzansprüchen vorzubeugen, gibt es umgekehrt kaum Verpflichtungen der Autobauer, bestimmte Mengen von ihren Lieferanten abzunehmen. Hier dürfte eine Neujustierung erfolgen. Denn wenn die Zulieferer weiter reihenweise Pleite gehen, ist auch für die Autobauer nichts gewonnen. Die Autokonzerne werden aus diesem „Corona-Chaos“ ihre Lehren ziehen und künftig die Lieferketten so aufstellen, dass man weniger abhängig ist. Heißt aber im Umkehrschluss, dass die Autos teurer werden.
Bei Elektrofahrzeugen hängt die künftige Abhängigkeit an den kritischen Batteriemetallen. Das Handelsblatt schreibt: „Immer weniger Autohersteller verlassen sich auf ihre Batteriezellen Zulieferer, wenn es um die Versorgung mit produktionskritischen Rohstoffen geht.“ „Der Direktbezug von Rohstoffen wie Kobalt ist zur Norm geworden“, sagt der Chef - Rohstoffhändler von Glencore im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Bei den Autoherstellern besteht die Sorge, dass Kobalt zu einem Problem werden könne, wie es Mikrochips heute sind.“
Spätestens im kommenden Jahr dürfte die Chipkrise überwunden sein, erwarten Experten. Doch die Versorgungsrisiken der Industrie werden damit nicht geringer. Die Wende vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb verlagert die Risiken hin zu Batteriemetallen, wie Lithium, Kupfer und Kobalt. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt: „Die Produktion der Batteriemetalle ist heute wesentlich stärker geografisch konzentriert als die Öl- und Gasproduktion.“
Besonders extrem ist die geografische Konzentration bei rund 70 Prozent der Produktion kamen der IEA zufolge 2019 aus der Demokratischen Republik Kongo. Der Raffinationsprozess für den Einsatz in der Batterieproduktion findet überwiegend in China statt. Der wirkungsvollste Ersatz für Kobalt ist ein höherer Nickelanteil. Doch auch die Nickelproduktion ist stark konzentriert.
Knapp 60 Prozent der Weltproduktion entfallen der IEA zufolge auf drei Länder: Indonesien, die Philippinen und Russland. Branchenschätzungen zufolge dürfte der Kobaltmarkt bis 2025 von 150.000 Tonnen auf 250.000 Tonnen wachsen. Spätestens in drei bis vier Jahren dürfte die Nachfrage das Angebot jedoch übersteigen, erwartet die IEA. Bis 2040 könnte die Nachfrage der Agentur zufolge sogar um den Faktor 20 steigen. (Handelsblatt)