Das über Europa und vor allem Deutschland schwebende Damoklesschwert eines von wem auch immer ausgehenden Lieferstopps russischer Energie spitzt sich weiter zu. Die Konsequenzen werden bitter sein.
von Axel Retz
Da kann Bundeswirtschafts- und -umweltminister Habeck noch so viele noch so tiefe Bücklinge vor noch so vielen Staatslenkern vollziehen, die die Grünen noch bis vor kurzem als Gesprächspartner für alle Zeiten ausgeschlossen hätten: Das über Europa und vor allem Deutschland schwebende Damoklesschwert eines von wem auch immer ausgehenden Lieferstopps russischer Energie hat rein gar nichts von seiner Schärfe verloren. Für die deutsche Wirtschaft wäre er so etwas wie das worst case-Szenario.
Herumplagen müssen sich die Unternehmen aber noch mit einem hübschen Strauß ganz anderer Probleme: Das, was schon vor Beginn des militärischen Einmarsches Russlands in die Ukraine kräftig ausgetrieben und geknospt hatte, geht nun in die Blütezeit über:
Über die teils recht bruchstückhaft gewordenen Lieferketten gelangt aus dem Ausland nun nur noch das an industriellen Vorprodukten und Fertigteilen zu uns, was dort aus eben denselben Problemen und natürlich dem Krieg in der Ukraine überhaupt noch gefertigt werden kann. Und:
Während immer mehr Verbände aus Landwirtschaft und Handel europaweit darauf hinweisen, dass der Brotpreis binnen Kürze auf zehn Euro steigen könne, Sonnenblumenöl sich im Preis verdoppelt hat und dennoch vielerorts Mangelware ist, Weizenmehl in den Supermärkten rationiert wurde, Produkte wie Eier, Senf oder Aprikosenmarmelade bald vielleicht gar nicht mehr erhältlich sein werden, die Fischtrawler wegen der hohen Dieselpreise erst gar nicht mehr auslaufen, hat sich die gemittelte Erwartung der Experten für die Teuerungsrate von Lebensmitteln mittlerweile zwischen rund 20 und 40 Prozent eingependelt.
Auch für Unternehmen, die selbst gar nicht in diesem Bereich unterwegs sind, liegt das sich abzeichnende Problem auf der Hand: Die sinkende Kaufkraft der Konsumenten. Nicht derer natürlich, die an der Klaviatur der Verzichtsappelle und -aufforderungen jetzt zuletzt sozusagen „volles Werk“ gespielt haben, wohl aber bei der Masse der Verbraucher, die nun einmal die volkswirtschaftlich so genannte Massenkaufkraft stellt.
Kein Wunder also, dass sich der vielleicht in den letzten Jahren etwas geschwundene Anteil der vom Ifo-Institut allmonatlich befragten, noch volks- und etriebswirtschaftlich denkenden Unternehmer in der Freitag veröffentlichten März-Umfrage zum Geschäftsklima-Index negativ gestimmt zeigte und den Ifo-Geschäftsklima-Index binnen eines Monats von 98,5 auf nunmehr 90,8 abstürzen ließ.
So weit, so schlecht, gewiss. Schwerer wiegt, dass dieser Absturz des Ifo-Indikators der mit Abstand ärgste seit der Ausrufung der „Pandemie“ im Frühjahr 2020 war. Hier werden also keine dünnen Bretter gebohrt. Das lässt erwarten, dass wir uns auch für die in Kürze beginnende Quartalsberichts-Saison auf einiges einzustellen haben. Vor allem auf jede Menge Ungewissheit, denn auch in den Chefetagen der Unternehmen vermag natürlich niemand abzuschätzen, wie lange der Krieg in der Ukraine dauert, ob er sich auf andere Länder ausweitet und/oder ob der Energiezufluss aus Russland anhält. Zu viele offene Fragen - auch für die Anleger, die sich die Welt aktuell noch schönzureden versuchen.