Kurzfristig waren die Corona-Hilfen ein Erfolg, viele Unternehmen haben dadurch zumindest die Pandemie überstanden. Doch die langfristige Bilanz dürfte weniger positiv ausfallen. Und die Energiepreise geben den geschwächten Unternehmen den Rest.
Börsen-Zeitung: "Zurück zur Normalität", Kommentar zu Insolvenzen von Sabine Reifenberger
Der Begriff der Insolvenzwelle wurde in den vergangenen Jahren so oft bemüht, dass man sich kaum noch traut, ihn zu verwenden. Die Welle wurde während der Corona-Pandemie prophezeit, gefürchtet, für überfällig erklärt und letztlich dank umfassender Hilfsprogramme weitgehend trockengelegt. Kurzfristig waren die Hilfen ein Erfolg, zahlreiche Unternehmen und Arbeitsplätze haben dadurch zumindest die Pandemie überstanden. Doch die langfristige Bilanz dürfte weniger positiv ausfallen. Unternehmen, die bereits mit schweren Blessuren aus der Pandemie gekommen sind, müssen nun mit hohen Energie- und Materialpreisen, sinkender Konsumlaune und steigenden Finanzierungskosten zurechtkommen. Das wird nicht allen gelingen.
Kreditversicherer haben im zu Ende gehenden Jahr wieder mehr Zahlungsausfälle regulieren müssen als 2021 und stellen sich darauf ein, dass diese Entwicklung anhält. Das Statistische Bundesamt verzeichnete im Oktober und November jeweils steigende Insolvenzzahlen, und auch die Großinsolvenzen, in die Insolvenzanträge von Unternehmen mit einem Umsatz ab 10 Mill. Euro einfließen, haben im Vergleich zum Vorjahr um gut 30 % zugelegt.
Die Zahlen klingen dramatisch. Aber sind sie es auch wirklich? Zum einen kommen die Anstiege von einem sehr niedrigen Niveau. Und zum anderen sind Insolvenzen, so einschneidend sie für die einzelnen Betriebe und ihre Beschäftigten ohne Zweifel sind, gesamtwirtschaftlich gesehen ein wichtiges Korrektiv. Mit Blick auf die anhaltenden Verwerfungen in den Lieferketten, die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine und wachsende Rezessionssorgen mutet der bisher zu verzeichnende Zuwachs in den Statistiken immer noch eher gering an.
Die Warnungen vor Zombie-Unternehmen, die ohne Aussicht auf nachhaltigen Geschäftserfolg Kapital und Mitarbeiter binden, sind sicher nicht zufällig in den vergangenen zwei Jahren lauter geworden. Die Hilfen flossen in Strömen und gerade zu Beginn der Corona-Pandemie nicht immer zielgerichtet.
So mancher Krisenfall, der nun nach mehreren Jahren am Rande des Abgrunds doch in die Insolvenz rutscht, könnte bald als mahnendes Beispiel enden. Restrukturierer raten (freilich nicht ohne Eigennutz) grundsätzlich zu frühzeitigen Sanierungen, da diese mehr Handlungsspielraum und somit bessere Chancen auf eine erfolgreiche Neuausrichtung böten. Unterschiedliche rechtliche Vorgehensweisen gibt es: Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren bieten dem Management eines Unternehmens mehr Mitsprache als die klassische Regelinsolvenz und vermeiden zudem das immer noch häufig als Stigma empfundene I-Wort.
Seit rund zwei Jahren steht mit dem StaRUG darüber hinaus ein vorinsolvenzlicher Restrukturierungsrahmen bereit, den Unternehmen nutzen können, denen die Zahlungsunfähigkeit droht, ohne dass diese bereits eingetreten ist. Einer wachsenden Zahl an Krisenfällen werden diese Wahlmöglichkeiten wohl nicht mehr offenstehen. Sie mit weiteren Hilfen künstlich über Wasser zu halten ist jedoch auch keine Lösung. Auf dem aktuellen Niveau sind steigende Insolvenzzahlen zunächst kein Grund zur Panik, sondern eher ein Schritt zur Normalisierung.